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Stehaufmaennchen

Stehaufmaennchen

Titel: Stehaufmaennchen
Autoren: Markus Maria Profitlich
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und sieben Pils später holt man mich. Habe in der Zwischenzeit der Wirtin der Kantine einen Schnellkurs im Pilszapfen verpasst. Ich soll bald wiederkommen. Mach ich. Denn dies war bestimmt nicht der letzte Soundcheck.
24. Juni 1993
    Premiere. Als Pausennummer fordere ich Andy auf, den Sound »a little bit warmer« einzustellen. Auf dieser Basis improvisiere ich eine lustige Soundchecknummer. Alle haben Spaß. Das Publikum, Andy und ich. Nur die drei Diven nicht, die mich mürrisch anschauen, als ich nach meiner Nummer hinter die Bühne komme.
12. Juli 1993
    Heute Abend meine Improvisation etwas ausgedehnt. Das Publikum lacht. Die Diven stehen hinter der Bühne, fertig umgezogen, und zeigen energisch auf die Uhr. Ich soll voranmachen. Wieso? Das Publikum amüsiert sich doch. Lege noch eine Nummer drauf, bevor ich den Platz frei mache für die drei Grazien.
24. Juli 1993
    Heute beeile ich mich mit meiner Pausenimprovisation. Die Diven sind erleichtert. Muss nämlich schnell ins Knusperhäuschen, weil heute jemand bei uns auftritt, der nach Aussage einiger Kumpels noch kranker im Kopf sein soll als ich: Pit Klocke. Meine Kumpels hatten Recht.
12. August 1993
    Die doppelte Belastung durch das Engagement bei Chachacha und meine Tätigkeit im Knusperhäuschen beginnt erste Folgen zu zeigen. Ich nehme ab. Trotzdem fühle ich mich rundum ausgefüllt.
3. September 1993
    Bekomme einen interessanten Anruf. Ob ich nicht Lust hätte, mal beim Kölner Comedy Cup aufzutreten. Der Comedy Cup sei ein Podium für Newcomer. So new come ich mir gar nicht mehr vor, will mir die Sache aber mal durch den Kopf gehen lassen.
4. Oktober 1993
    Trete beim Kölner Comedy Cup auf. Jeder »Newcomer« bekommt einen erfahrenen Paten zur Seite gestellt. Mein Pate ist Bernd Stelter. Wir sind uns recht ähnlich. Auch körperlich. Nach meinem Auftritt spricht mich wieder ein Mann an. Er heiße Jacky Dreksler und würde demnächst fürs Fernsehen eine Comedysendung produzieren. Ob ich mir vorstellen könnte, vor der Kamera zu stehen. Kann ich.
12. November 1993
    Einladung zu einem Casting bekommen. Ein Casting ist so eine Art Einstellungstest, ob man fürs Fernsehen geeignet ist. Entgegen meiner üblichen Gepflogenheit bekomme ich keine Prüfungsangst.
22. November 1993
    Casting. Machen Probeaufnahmen. Als der Kameramann mich sieht, meint er, man solle besser 16 zu 9 drehen. Das sei schwer im Kommen und für meine Figur auch ein passenderes Bildformat. Bekomme ein kleines Drehbuch für einen Sketch in die Hand gedrückt. Bin beeindruckt. So was habe ich noch nie gesehen. Dann soll ich zum Kostüm. Die Kostümfrau schaut mich an. So was hat sie noch nicht gesehen. Werden trotzdem fündig.
    Der Dreh verläuft gut. Alle sind zufrieden. Abends bekomme ich einen Anruf von Jacky Dreksler. Ich sei dabei. Gebe eine Lokalrunde im Knusperhäuschen.
12. Januar 1994
    Erster Drehtag. Bin wahnsinnig aufgeregt. Mein Text lautet »Aua«. Vor dem Dreh stiefle ich nervös auf dem Flur auf und ab und wiederhole immer wieder meinen Text, bis mich die Frau aus der Maske besorgt fragt, ob ich einen Arzt benötige.
    Auf dem Dreh spiel ich meinen Part eloquent durch. Ohne Texthänger. Ich bin aber der Einzige, der durchspielt, denn bei Dreharbeiten setzt man immer wieder ab und muss die Kamera anders aufbauen. So kommt es, dass man für eine Szene, die im Fernsehen vielleicht drei Minuten dauert, wesentlich mehr Zeit zum Drehen braucht. Nach einer Weile hab ich den Bogen raus.
2. März 1994
    Mein Alltag sieht mittlerweile so aus: Acht Uhr aufstehen. Acht Uhr dreißig ab zum Dreh. 19 Uhr Feierabend (für die anderen). Ich fahre zum Theater und gebe den Pausenclown. (Meine Pausenüberbrückungen summieren sich während einer Vorstellung mittlerweile auf knapp dreißig Minuten.) Anschließend ins Knusperhäuschen hinter dieTheke bis ein Uhr. Der Begriff Freizeit existiert nicht mehr in meinem Kosmos. Lange geht das nicht mehr so, und ich muss mich entscheiden.
6. März 1994
    Ein Gespräch mit Lothar steht an. Habe mich entschlossen, meine Tätigkeit im Bereich der Unterhaltungsgastronomie zu Gunsten einer Komikerkarriere aufzugeben. Sehe meine Zukunft doch eher auf der Bühne. Lothar ist traurig, aber er zeigt Verständnis. Ob ich mir das gut überlegt hätte, weil so eine Entscheidung sei ja auch ziemlich riskant. Da hat er Recht, aber wenn nicht jetzt, wann dann? Und wenn das mit dem Komiker nicht klappen sollte, kann ich ja immer noch als Wirt arbeiten. Oder als
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