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Stehaufmaennchen

Stehaufmaennchen

Titel: Stehaufmaennchen
Autoren: Markus Maria Profitlich
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Andy ist Andy.
    Trotz unserer häufigen Gastspiele sind wir weit davon entfernt, in so etwas wie eine Gewinnzone zu kommen. Zum einen, weil die Gagen sich seit den »Magic Marabus« nicht wesentlich erhöht haben, zum anderen, weil wir durch unsere Mini-Tourneen quer durchs Bergische Land extrem hohe Spritkosten haben. Da muss sich was ändern.
    Abends sitzen wir im poco Loco und denken nach. Dieter, der Kellner, denkt mit. Er meint, wir könnten richtig viel Benzingeld sparen, wenn wir mit Bus und Bahn zu den Auftritten führen, schwarz natürlich. Sein Vorschlag stößt auf wenig Begeisterung. Bus zu fahren sei eh schon unsexy, meint Andy, erst recht zu seinem eigenen Auftritt, selbst wenn man ohne Ticket fährt. Pflichte ihm bei. Andy hat eine andere Idee.
    »Wir müssen dafür sorgen, dass das Publikum zu uns kommt. In unser eigenes Theater.«
    Hammer! Ein eigenes Theater! Brillante Idee! Nie wieder Requisiten schleppen. Nie wieder Auftritte in zu kleinen Wohnzimmern. Nie wieder nach der Vorstellung theoretisch nix trinken dürfen, weil man noch fahren muss. Denke an Theater wie die Alte Oper in Frankfurt, das berühmte Thalia in Hamburg oder das Broadway-Theater. Die kriegen schließlich auch ihr Publikum.Warum nicht auch wir? Andys Idee ist nicht schlecht. Das findet Dieter auch. Er will mit einsteigen. Ein gutes Theater kann auch einen Kellner gebrauchen, meint er. Intensiv studieren wir den Immobilienteil des Siegburger Stadtanzeigers. Zurzeit scheint das Angebot an leerstehenden Theatern jedoch reichlich dünn zu sein.
19. April 1992
    Dieter ruft an. Er sei fündig geworden. Treffen uns am Nachmittag zur Besichtigung der Immobilie. Unser Broadway-Theater entpuppt sich als leerstehende Schreinerwerkstatt. Es liegt auch nicht in New York, sondern in Siegburg, kostet dafür aber nur hundert Mark im Monat. Wir beschließen, die Werkstatt zu mieten. Falls das mit dem Theater nicht klappt, kann man hier immer noch Motorräder reparieren.
20. April 1992
    Meeting in unserem neuen Theater zwecks Planung der Umbaumaßnahmen. Denn dass komplett umgebaut werden muss, darin sind wir uns alle einig. Bis auf eine Einschränkung. Dieter meint nämlich, dass er den Werkstattraum, der später mal das eigentliche Theater werden soll, so lassen würde, wie er ist. Natürlich müsse man eine Bühne bauen, klar. Aber sonst würde er nichts ändern. Das sei moderner Industrial-Look und wäre in vielen Theatern so. Außerdem hätte es Flair. Sogar vom Putzen würde er dringend abraten, um nicht dieses einzigartige Flair zu zerstören. Das leuchtet uns ein. Andy fragt, was denn mit Toiletten sei. In echten Theatern gäbe es für Frauen und Männer getrennte Klos. Schauen uns den Werkstattpott an. Eine winzige, ehemals weiße, jetzt nikotinfarbene Kammer mit einer im Farbton passenden Porzellanschüssel. Kein schöner Anblick. Wie soll man daraus zwei getrennte Toiletten bauen? Dieter meint, das wäre gar nicht nötig. Im Gegenteil. Unisex-Toiletten seien schwer im Kommen und hätten auch so ein ausgeflipptes Künstlerflair.Also genau das Richtige für ein Theater. Lassen uns überzeugen. Der Umbau der Toiletten wird gestrichen. Überlegen weiter. Was braucht man noch? Eine Garderobe? Wir schauen uns an. Braucht man eigentlich nur im Winter. Und selbst dann hängen die Leute lieber ihre Jacken über die Stühle. Das kann man ja in jeder Kneipe beobachten. Die Garderobe wird gestrichen. Genauso wie ein Foyer. Nicht gestrichen wird die Kasse und ein Bereich, in dem man Getränke (Bier) zu sich nehmen kann. Getränke sind extrem wichtig für ein gutes Theater, meint Dieter. Er muss es wissen, er ist ja vom Fach.
23. April 1992
    Treffen uns zum Umbau. Dieter hat einen kleinen Tisch und eine Geldkassette mitgebracht. Den Tisch als Kassenbereich und die Geldkassette für die Einnahmen. Damit wäre die Kasse schon mal fertig. Wir machen uns an die Gestaltung des Getränkebereichs und bauen eine Art Theke in die Werkstatt. Dieter hat ein Zehn-Liter-Fass Kölsch mitgebracht, um unseren neuen Ausschank einer ausgiebigen Prüfung zu unterziehen. Zwei Stunden später hole ich ein zweites Fass. Die Prüfung erweist sich als ziemlich umfangreich. Nach dem dritten Fass sind wir zufrieden und machen uns daran, aus alten Paletten die Bühne zusammenzunageln.
24. April 1992
    Müssen die Paletten wieder auseinanderreißen. Irgendwie ist gestern niemandem aufgefallen, dass wir die Bühne direkt vor der Tür zu unserer ausgeflippten Unisex-Toilette
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