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Stauffenbergs Gefaehrten

Titel: Stauffenbergs Gefaehrten
Autoren: Antje Vollmer , Lars-Broder Keil
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mochte auch die gefährden, die ihm dabei helfen wollten. So schien ihm nur mehr der eine Weg möglich, sich zu Stauffenberg und seinem Einsatz zu bekennen und in den Bendlerblock zurückzukehren.
    Es gelang Wolfgang nicht, ihn von der Sinnlosigkeit dieses Opfers, mit der der Sache nicht mehr zu dienen sei, zu überzeugen. Klausing bestimmte die Pflicht der Kameradschaft, für die ihm sein Leben ein angemessener Preis schien.
    Als er am anderen Morgen um 8 Uhr aufbrach, um sich zu stellen, war er ruhig, gefaßt und ohne Furcht. Er wußte seinen Weg. 2
    Offenbar hat ihn diese Ruhe dann nicht mehr verlassen, auch nicht in den Verhören der Gestapo. Er steht zu seiner Tatbeteiligung und weiß, dass das nun das sichere Todesurteil bedeutet.
    Â 
VII.
    Aber seine letzten Bewährungsproben sind damit noch nicht bestanden: Volksgerichtshof-Präsident Freisler nämlich, der für Hitler einen Prozess der Abschreckung organisieren will, der die Motive der Verschwörer unterdrücken, ihr Vorhaben lächerlich machen, ihr Ansehen und ihre Würde völlig demontieren soll, hat den zum letzten aufrechten Gang entschlossenen Klausing als einen besonderen Kronzeugen für seine diabolische Strategie ausersehen.
    An dem jungen, gradlinigen Offizier Klausing, den er geradezu zum Reden auffordert, dessen Antworten er kaum unterbricht, will er im Vergleich zu den Angeklagten Stieff, Witzleben, Hoepner – die sich oft akustisch unverständlich, stotternd, ungeschickt zu verteidigen und vor seinem Hohn zu retten versuchen – demonstrieren, was für eine verächtliche, unfähige, ehrlose Bande von Feiglingen diese Hauptverantwortlichen der Verschwörung doch seien.
    Die strahlende Reinheit von Klausings Bekenntnis zu seiner Tat soll die Folie bilden für die Demütigung seiner Vorgesetzten. So ist die Inszenierung. Das Kamerateam ist ja – hinter der Hakenkreuzfahne verborgen – immer dabei.
    So wird Klausing – wahrhaftig bis zuletzt – in seinem Prozess im Volksgerichtshof zu Freisler sagen:
    Â 
    Ich war mir natürlich, als am Nachmittag im Radio angekündigt wurde, daß der Führer nicht tot sei, klar, daß es jetzt kein Zurück mehr für uns gab, sondern daß die Sache nur durchgezogen werden konnte oder gar nicht. Ich bin dageblieben, habe weitergemacht, bis mir im Laufe des Abends klar wurde, daß die Leute, die an der Sache so oder so führend beteiligt waren, nicht die Leute seien, die den deutschen Staat retten konnten.
    Â 
    Darauf will Freisler hinaus, das will er hören. Klausing meint: Wir hätten einfach weiterkämpfen müssen, alle gemeinsam hätten alles auf eine Karte setzen müssen! Freisler will dem jedoch die Deutung unterlegen: Diese feigen und unfähigen Vorgesetzten haben einen idealistischen, aber irregeleiteten jungen Offizier missbraucht! So schließt er dann auch sein Verhör von Klausing mit der Anklage an die führenden Militärs unter den Angeklagten: »Sie sehen, wen Sie auf dem Gewissen haben, Witzleben, wen Sie auf dem Gewissen haben, Hoepner, wen Sie auf dem Gewissen haben, Stieff!«
    Konnte Klausing diese Strategie und Inszenierung durchschauen?
    Sicher nicht. Er war längst in einer anderen Form des Seins. Er war schon bei Stauffenberg und seinen toten Freunden.
    Einen einzigen Wunsch hat Klausing bei seinem letzten Schlusswort. Er bittet – als Soldat – um eine Kugel zur Vollstreckung des sicheren Todesurteils, eine Kugel wie für Stauffenberg, Olbricht, Beck, Mertz von Quirnheim, Haeften, die Hingerichteten der Nacht des 20. Juli. Das wird abgelehnt. In Plötzensee wird nicht erschossen, in Plötzensee wird am Fleischerhaken erhenkt.
    Klausing wird nie erfahren, dass dieser Wunsch um die Todeskugel auch der Wunsch seines Vaters für ihn, den verlorenen Sohn, war.
    Â 
VIII.
    In seinem Abschiedsbrief kommt noch eine andere seelische Belastung in den letzten Stunden seines Lebens zum Ausdruck. Wie konnte er seine Eltern und Geschwister, von deren Wertekanon und Lebenswelt er sich so unendlich weit entfernt hatte, trösten, ohne sich selbst zu verleugnen? Und wie konnte er sie vor eventuellen Verfolgungen schützen?
    Als Friedrich Karl Klausing den Satz schreibt: »So fragt nicht mehr nach mir, sondern laßt mich damit ausgelöscht sein«, kann er nicht wissen, was sich inzwischen im Haus seiner Eltern ereignet hat.
    Am 6. August1944 , einen Tag vor der
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