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StatusAngst

StatusAngst

Titel: StatusAngst
Autoren: Alain de Botton
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dazu ein Brillantcollier von strahlendem Glänze. Die Feststellung, dass sie ganz entzückend aussah, erübrigt sich wohl.«
    »Was kann man anderes werden als ein Snob, wenn einem ständig solcher Unfug vorgesetzt wird?«, empörte sich Thackeray. »Oh, hinweg mit den Zeitungen, diesen Erzeugern und Verbreitern der Snobberei!« Und, um Thackerays Gedanken fortzusetzen: Die Statusangst der Bevölkerung könnte entscheidend vermindert werden, wenn die Zeitungen nur einen winzigen Teil ihres Interesses von Lady Agnes Duff und ihresgleichen abziehen und den Vorzügen des einfachen Lebens zuwenden würden.
     

 
9
     
    Leider bewahrt uns der Unmut über snobistische Haltungen noch lange nicht vor der Sehnsucht nach der Anerkennung durch die Snobs. Denn Menschen nicht leiden zu können hindert uns selten daran, unsererseits wohlgelitten sein zu wollen. Gerade das Gefühl, geschnitten zu werden, drängt uns vielleicht dazu, die Aufmerksamkeit derer zu erringen, die uns schneiden, wodurch wir, wenigstens äußerlich, bedenklich die Züge derer annehmen, die uns vordem suspekt waren.
    Ganze Kulturen können in diesen Teufelskreis geraten, wenn der Snobismus der Meinungsführer die übrige Bevölkerung in den Sog von Ehrgeiz und Aneignung zieht, so dass nun auch die, die vorher keinen Geschmack daran fanden, diesen Mustern folgen, im Glauben, auf diese Weise an die weit dringender benötigten Ressourcen der Liebe zu gelangen.
    Die viktorianische Wohnkultur kennt Beispiele extremer Prunkentfaltung. Berühmt für protziges Mobiliar war die Londoner Firma Jackson&Graham. Zum Angebot gehörte ein geschnitztes Eichenbuffet, das mit Trauben erntenden Knaben, zwei Karyatiden und Rahmenelementen aus Wildbret und Blattwerk, Fischen und Wasserpflanzen verziert war. Blickfang dieses Ensembles war ein sechzig Zentimeter großer vergoldeter Stier.
    Bevor wir uns über die Käufer derartiger Scheußlichkeiten belustigen, empfiehlt es sich, das gesellschaftliche Klima, in dem diese Möbel gebaut und gekauft wurden, näher zu betrachten. Statt der Käufer zu spotten, sollten wir eine Gesellschaft anprangern, die den Erwerb von Schmuckbuffets als psychologisch unabdingbar und lohnend erscheinen ließ, in der Liebe und Ansehen von Prunk und Protz abhingen.
    Vielleicht also ist die Geschichte der Luxusgüter nicht eine der Gier, sondern vielmehr Zeugnis emotionaler Traumatisierung. Was wir da vor uns sehen, ist das Erbe derer, die sich von der Missachtung durch andere dazu getrieben fühlten, ihr nacktes Ich mit einem extremen Aufwand an Luxus aufzustocken und so zu signalisieren, dass auch sie einen Anspruch auf Liebe hatten.
     

 
10
     
    Zum Schaden der materiellen Entbehrung, die üblicherweise mit niederem Status einhergeht, kommt vonseiten einer snobistischen Welt der Hohn systematischer Missachtung und eisiger Zugluft für alle die gratis dazu, die sich Statussymbole nicht leisten wollen oder können.
     

    Schnitzkommode aus Sumpfeiche, Jackson&Graham, London 1852
     
     

 
     
     
     
III.    Erwartungen
     

 
     
     
     
Materieller Fortschritt
     
1
     
    Im Juli 1959 reiste der amerikanische Vizepräsident Richard Nixon nach Moskau, um dort eine Ausstellung der technischen und materiellen Errungenschaften seines Landes zu eröffnen. Höhepunkt der Ausstellung war die originalgetreue Nachbildung des Hauses einer gewöhnlichen amerikanischen Arbeiterfamilie. Es war ausgestattet mit Teppichboden, einem Fernseher im Wohnzimmer, zwei Badezimmern, Zentralheizung und einer Küche mit Waschmaschine, Wäschetrockner und Kühlschrank.
    In ihren Kommentaren bestritt die erboste Sowjetpresse, dass sich gewöhnliche amerikanische Arbeiter einen solchen Luxus leisten könnten, tat das Ganze als Propagandamanöver ab und bezeichnete das Musterhaus als »Tadsch Mahal«.
    Der sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow blieb denn auch angemessen skeptisch, als er von Nixon durch die Ausstellung geführt wurde. Beim Anblick einer elektrischen Zitronenpresse versicherte er Nixon, dass niemand, der auch nur halbwegs bei Sinnen sei, solche »lächerlichen Apparate« kaufen würde.
    »Alles, was den Frauen die Arbeit erleichtert, hat seinen Nutzen«, erwiderte Nixon.
    »Wir betrachten Frauen nicht als Maschinen wie Sie in Ihrem kapitalistischen System«, bellte der wütende Chruschtschow zurück.
    Am Abend wurde Nixon zu einem Interview ins sowjetische Fernsehen eingeladen, und er nutzte die Gelegenheit, die Vorzüge des amerikanischen Way of
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