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StatusAngst

StatusAngst

Titel: StatusAngst
Autoren: Alain de Botton
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Mensch fragt ›Waren Sie dort?‹ und niemals ›Waren Sie da?‹«, befand der Ratgeber »Der korrekte Ausdruck« von 1876, obwohl der Verfasser seine Empfehlung hundert Jahre später genauso gut hätte umdrehen können, um ein moderneres, aber nicht weniger snobistisches Publikum zu beeindrucken. Denn was alle Snobs eint, sind nicht Detailfragen des Geschmacks, sondern das Vernarrtsein in die Insignien kultureller Dominanz.
     

 
7
     
    Ursache des Snobismus ist die panische Angst, vom ersehnten Status oder vom Umgang mit denen, die ihn verkörpern, abgeschnitten zu werden; die Angst, aller Aufmerksamkeit, Liebe, Achtung, ja des Lebensnotwendigsten beraubt zu werden.
    Mancher Snob mag früh schon von anderen Snobs beeinflusst und mit der fixen Idee bedacht worden sein, geringer Status komme einer Katastrophe gleich, während andere das Glück hatten, dieser Gleichung zu entgehen und in einer Umgebung zu gedeihen, die lehrte, Wert habe mehr mit moralischen Qualitäten zu tun als mit Renommee oder Fisch-Fertigkeiten. Frühe Erfahrungen brachten so die gerade flügge gewordenen Jungsnobs um einen emotionalen Rückhalt und damit um das Selbstvertrauen, das ihnen gestattet hätte, einen fehlenden Status nicht mit Minderwertigkeit gleichzusetzen oder einen hohen mit Überlegenheit.
     

    „Dort gehen die Spicer Wilcoxes, Mama! Ich hörte, sie brennen darauf, uns kennen zu lernen. Wollen wir sie nicht ansprechen?" — „Gewiss nicht, meine Liebe. Sie sind es nicht wert. Die einzigen, die es wert sind, unsere Bekanntschaft zu machen, sind die, die keinen Wert darauf legen, unsere Bekanntschaft zu machen."
     
    Statt dieser nützlichen Weisheiten wurde ihnen Angst eingeflößt, und Angst erzeugt neue Ängste. Denn klassischen Misstrauensmustern entsprechend behandelten sie andere bald so, wie sie selbst einmal behandelt wurden, und sie halten über Generationen einen Kreislauf in Gang, der einstige Opfer des Snobismus veranlasst, die zu kurz Gekommenen zu verachten, so wie sie einst von den Statusinhabern verachtet wurden und vielleicht noch immer verachtet werden.
    »Dort gehen die Spicer Wilcoxes, Mama«, so die Tochter zu ihrer Mutter beim Hyde-Park-Spaziergang auf einer Karikatur des Punch von 1892. »Ich hörte, sie brennen darauf, uns kennen zu lernen. Wollen wir sie nicht ansprechen?« »Gewiss nicht, meine Liebe. Sie sind es nicht wert. Die einzigen, die es wert sind, unsere Bekanntschaft zu machen, sind die, die keinen Wert darauf legen, unsere Bekanntschaft zu machen.«
    Solange Mama das Trauma, das da aus ihr spricht, nicht überwinden kann, solange sie nicht begreift, dass sie einen Wert besitzt, der nichts mit ihrer Stellung zu tun hat, besteht wohl keine Hoffnung, dass ihr je ein aufrichtiges Interesse an den Spicer Wilcoxes möglich oder dass diese ihrerseits zur Freundschaft mit gesellschaftlich tiefer Stehenden fähig sein werden — und auch wenig Hoffnung, dass der Teufelskreis angstgesteuerten Snobismus jemals unterbrochen wird.
     

 
8
     
    Die Zeitungen verstärken das Problem nur. Weil sich bei Snobs schwach ausgebildetes Urteilsvermögen mit einer Affinität zu den Ansichten einflussreicher Personen paart, werden ihre Überzeugungen in hohem Maße von der Presse geprägt.
    Thackeray vermutete, dass die englische Obsession für Status und Adel auf die Zeitungen des Landes zurückzuführen sei, die täglich von neuem das Prestige der Hochgestellten und Berühmten herausstrichen und damit implizit die Banalität der Titellosen und Gewöhnlichen. Am liebsten ereiferte er sich über das »Hofbulletin« der Zeitungen, wo in untertänigem Ton über Partys, Festtage, Geburten und Todesfälle der »high society« berichtet wurde. Im Oktober 1848 (als Thackerays Buch über die Snobs erschien) war im Hofbulletin der Morning Post Folgendes zu lesen:
     
    12. Oktober
    »Lord Brougham beherbergt weiterhin einen erlesenen Kreis von Gästen auf Brougham Hall, man widmet sich seit letzter Woche der Hätz, und Lord Brougham bietet adligen Freunden beste Jagdgelegenheiten.«
     
    13. Oktober
    »Mr. und Lady Agnes Duff sind von Süden kommend in Edinburgh eingetroffen und haben für den Winter in Abercrombie House Quartier genommen. Die Niederkunft ihrer Ladyschaft wird für Ende des Monats erwartet.«

    18. Oktober
    [Aus einem Bericht über die Vermählung von Lady Georgina Pakenham mit Lord Burghley] »Ihre Ladyschaft trug ein herrliches weißes Satinkleid mit Brüsseler Spitze und hochgeschlossener Corsage,
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