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Stalins Kühe

Stalins Kühe

Titel: Stalins Kühe
Autoren: Sofi Oksanen
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Katariina bekam am Ende des Stücks noch mehr Dankeschöns auf Finnisch. Kiitos , danke, war das erste finnische Wort, das Katariina lernte.

    In Eile und leicht verschwitzt setzt sich Katariina an den Tisch des wartenden Finnen und sagt, sie möchte einen Kaffee mit Kognak. Der Finne ist überhaupt nicht verärgert wegen Katariinas Verspätung, aber ist er verärgert, weil Katariina nur einen Augenblick Zeit hat. Als Katariina in ihrer Handtasche kramt und überlegt, wie sie es ihm höflich und freundlich sagen soll, fallen ihr zwei wegen ihrer Öligkeit in Zeitungspapier gewickelte Wasserhähne und eine Türklinke aus der Handtasche, und die beschleunigen ihre Erklärung, nach der die Miene des Finnen verlangt: warum aus der Handtasche einer jungen Frau im Minirock Baumaterialien fallen, die der Dame während des Rendezvous Hände und Kleider beschmutzen.
    Katariina erzählt, sie sei unterwegs, um gegen diese Hähne und die Klinke Teile für ein Rohrsystem einzutauschen, die auf Katariinas Baustelle benötigt werden.
    Auf Katariinas Baustelle? Ja, Katariina ist Bauleiterin. Hatte sie das nicht erzählt, als der Finne gesagt hatte, er arbeite auf der Baustelle des Hotels Viru? Katariina liest von der Miene des Finnen ab, dass er ihr ohne die Hähne und Türklinken nicht glauben würde. Katariina findet das ärgerlich, sie wirft den Kopf zurück und erklärt, sie müsse jetzt los, um den Tauschhandel abzuwickeln. Und zwar in das Restaurant, das gegenüber auf der anderen Straßenseite liegt. Der Ingenieur aus der anderen Firma erwartet Katariina dort mit einem Einkaufsnetz voller Flansche. Im Übrigen habe sie dieses Lokal für das Treffen mit dem Finnen nur deshalb gewählt, weil es so passend am Weg liegt. Möglicherweise könne eine Frau in Finnland nicht als Bauleiterin arbeiten, aber in Katariinas Land gehe das.
    Aber dafür gibt es hier keine Kaffeepausen, lacht der Finne.
    Kaffeepausen?
    Der Finne verspricht, von den Kaffeepausen zu erzählen, wenn Katariina sich wieder hinsetzt und ihren Kognak trinkt.

    Katariina setzt sich auf den Stuhlrand.
    Die Kaffeepause ist eine vorgeschriebene Viertelstunde für das Kaffeetrinken.
    Das findet Katariina seltsam. Warum muss es eine vorgeschriebene Viertelstunde für das Kaffeetrinken geben? Und warum wird samstags gearbeitet? Von der Baustelle des Hotels Viru hat Katariina schon gehört, mit dem ersten großen Kooperationsprojekt von Estland und Finnland hat sich der Ruf der finnischen Arbeiter in der ganzen Stadt verbreitet. Es hat kein schlechtes Wort über die finnischen Arbeitskräfte gegeben, mit den Männern aus dem eigenen Land dagegen würde man das Hotel wohl niemals fertig bekommen. Angeblich tun die Finnen sofort das, was nötig ist, sie tun es gut und sorgfältig, es verschwindet kein Material, das Gebaute fällt am nächsten Tag nicht in sich zusammen, es ist, als hätten sie sieben Arme und sieben Beine, und an den Blaumännern gibt es Taschen und Schlaufen für Werkzeug, sodass der Arbeiter nicht jedes Mal etwas holen muss. Die Finnen sind etwas ganz anderes als die langsamen und auch alltags schnapsnasigen Arbeiter ihres eigenen Landes mit ihren plumpen Wattejacken, in denen man sich nur langsam bewegen kann.
    Katariina geht nicht in das Restaurant, in dem sie den Tauschhandel abwickeln sollte, sie kann die Flansche auch morgen noch gegen die Wasserhähne eintauschen oder eine Erklärung dafür finden, warum Teile fehlen.
    Die Arbeitslosigkeit in Finnland ist gar nicht so hoch wie behauptet, obwohl das so ein schlimmes kapitalistisches Land, ein Kapland , ist. Außerdem treibt der Finne Sport, Schwimmen und Skilaufen. Von den Feinden der guten Sozländer , den Kapländern , hätte man gar nicht geglaubt, dass die Jugendlichen dort Spaß haben, sich frei sportlich betätigen können und keine Zwangsarbeit leisten müssen. Dass sie Grund haben, zu lachen und zu lächeln.

    Katariina ihrerseits muss dem Finnen versichern, dass der Schulunterricht nicht in russischer Sprache abgehalten wurde. Ja, ja, hier gibt es Unterricht auf Estnisch, tatsächlich! Und ja, es besteht Arbeitszwang, man kann nicht arbeitslos sein, es gibt gar keine Arbeitslosen. Katariina kramt aus der Handtasche ihr Arbeitsbuch hervor und zeigt es dem Finnen: So eines hat jeder, man bekommt es schon in der Schule während des ersten Praktikums, dann wird dort vermerkt, wo man arbeitet, und wenn man in die Schule zurückkehrt, wird dort vermerkt, dass man zur Schule geht. Wenn man von der
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