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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten
Autoren: Armistead Maupin
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Irrenhaus.«
    Michael lächelte. »Das hat Jon auch gesagt.«
    Es folgte längeres Schweigen. Dann sagte Brian: »Ist er da, weil er dich zurückhaben will?«
    »Ja«, sagte Michael. »Ich glaub schon.«
    »Und? Willst du das?«
    Michael drehte sich um und sah seinen Freund an. »Kann ich erst mal passen?«
    Brian legte ihm den Arm um die Schulter. »Klar doch. Ich würd aber nicht gleich ablehnen … nur, weil er dich ein kleines bißchen mehr braucht als du ihn.«
    Schweigen.
    »Darum geht’s doch, oder? Bei mir und Mary Ann geht’s jedenfalls darum … und sie hat mir Gott sei Dank keinen Korb gegeben.«
    »Brian … sie liebt dich sehr.«
    Brian gab ihm einen brüderlichen Stups gegen die Schulter. »Wenn man sich liebt, ist es egal, ob einer den anderen mehr braucht.«
    Während sie um den Spielplatz herumgingen, den man gerade nach dem ermordeten Bürgermeister Moscone benannt hatte, trat wieder längeres Schweigen ein. Ein großer Wagen fuhr an ihnen vorbei, hielt mit kreischenden Bremsen und fuhr rückwärts, bis er auf ihrer Höhe war.
    Der Mann auf dem Beifahrersitz schlug mit der Hand laut auf die Seitenverkleidung des Wagens. »He, ihr Schwuchteln! Seid ihr zwei Schwanzlutscher?«
    Brian behielt seinen Arm auf Michaels Schulter. »Was geht dich das an, Alter?«
    »Hör auf«, flüsterte Michael. »Du mußt ›Ja, klar‹ sagen und lächeln.«
    Der Mann beugte sich aus dem Fenster, während der Wagen mit ihnen Schritt hielt. »Was hast du gerade gesagt, Schwanzlutscher?«
    »Geh einfach weiter«, murmelte Michael.
    »Häh, Schwuchtel … häh? Willst du mir den Schwanz lutschen, du Schwanzlutscher? Hättste das gerne, hm?«
    Michael fiel auf, daß dieser Gag auf dem Rücksitz heftiges Gelächter auslöste. Es waren mindestens vier Leute im Wagen; darunter eine Frau.
    »Los jetzt«, sagte Michael. »Wir rennen lieber weg.«
    »Vergiß es«, sagte Brian.
    »Was hast du gesagt, du Schwuchtel?«
    Brian drehte sich um und streckte dem Schreier den Mittelfinger entgegen. »Du bist ein Arschloch, hab ich gesagt. Verpiß dich!«
    Der Wagen blieb ruckartig stehen. Die Leute wuselten heraus wie Zirkusclowns aus einem Feuerwehrauto. Der erste ging ohne Umschweife auf Michael los und trat ihn genau zwischen die Beine. Er fiel nach hinten, und sein Kopf schlug deutlich hörbar auf den Boden.
    Als er die Augen aufmachte, sah er eine Hand nach seiner Kehle fassen. Der Mann zog ihn beinahe sanft vom Bürgersteig hoch … und knallte seinen Kopf wieder aufs Pflaster. Das Geräusch klang diesmal dumpf. Matschig.
    »He«, rief jemand, »hier rüber!«
    Der Mann ließ Michaels Kehle los und rannte zu den anderen beiden. Einer saß auf Brians Brust; der andere hielt seine Beine fest. »Okay«, sagte der Mann, der über Michael hergefallen war, »jetzt bist du fällig, Schwuchtel!«
    Als Michael plötzlich Metall aufblitzen sah, schrie er in völliger Fassungslosigkeit: »Bitte … bitte nicht … er ist nicht schwul! Er ist nicht schwul! «
    Doch das Messer sauste immer wieder nieder.

Endlich zu Hause
    AlsMary Ann ihren Le Car auf dem Dauerparkplatz des Flughafens von San Francisco stehen sah, fühlte sie sich plötzlich seltsam zuversichtlich.
    »Wissen Sie«, sagte sie und hakte sich bei DeDe unter, »irgendwie glaub ich, daß wir das Schlimmste hinter uns haben.«
    DeDes abgekämpftes Gesicht zeigte keine Spur von Hoffnung. »Versuchen Sie bitte nicht, gute Stimmung zu machen«, sagte sie. »Sie haben schon genug getan. Wirklich.«
    »Ich versuche nicht, gute Stimmung zu machen. Ich hab wirklich so ein Gefühl. Wenn er mit den beiden auf dem Schiff zurückgefahren ist … für alle deutlich sichtbar … dann kann er nicht vorgehabt haben, sie zu entführen. Jedenfalls nicht im üblichen Sinn. Ich meine … verrückt ist er ja vielleicht, aber es hat nicht den Anschein, als wäre er gefährlich.«
    »Klar«, sagte DeDe. »Das hat man 78 auch gesagt.«
    Mary Ann tastete sich vorsichtig weiter. »Aber … wir wissen doch nicht mit Sicherheit, ob dieser Mr. Starr tatsächlich …«
    »Hören Sie auf. Ich weiß es. Ich weiß, daß er’s ist. Er hat das Kinderlied in die Realität umgesetzt, oder? Und Prues Beschreibung paßt genau auf …« Sie unterbrach sich mitten im Satz.
    »Was?« fragte Mary Ann.
    »Auf … ihn.«
    »Was hat sie Ihnen eigentlich erzählt?«
    »Wer?«
    »Prue. Als Sie allein mit ihr geredet haben.«
    DeDe schaute weg. »Dafür ist jetzt nicht der richtige Moment.«
    Mary Ann schloß den Wagen auf,
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