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Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis
Autoren: Thomas Greanias
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am Tag zuvor an die Oberfläche gestiegen war, um einen ersten Blick über die Stadt zu werfen, den Südschacht hoch. Sie schaute zurück und sah, dass Conrad immer noch weit unten war und sich mit einer Hand hochzuziehen versuchte. Die andere Hand im blutigen Druckverband war nicht zu gebrauchen. Wasser sprudelte um seine Füße. In Serena stieg Panik auf.
    »Conrad!«, rief sie.
    Sie stützte sich mit den Beinen an der Schachtwand ab und griff nach seinem rechten Arm. Ächzend zog sie ihn hoch, aber seine Hand rutschte weg, und sie hörte, wie es platschte.
    »Nimm das hier«, rief er ihr zu und wedelte mit einer langen roten Bandage. Es war sein Verband, den er abgewickelt hatte.
    Sie wand das eine Ende um ihr Handgelenk und streckte dann den Arm aus, sodass Conrad sich das andere Ende um die Hand binden konnte. Ihr schmerzte der Rücken beim Ziehen, und sie schrie vor Anstrengung, aber schließlich hatte sie ihn in den Schacht hochgehievt.
    »Danke.« Er atmete schwer. »Los, weiter.«
    Am Ende des Schachts war ein Stück blauer Himmel zu sehen. »Ob uns das alles überhaupt etwas bringt?«, sagte sie außer Atem. »Da draußen ist nichts. Kein Funk, nichts, um irgendwie Hilfe zu holen.«
    »Es ist unsere einzige Chance. Das geothermische System kommt allmählich zum Stillstand. Die Hitze wird wahrscheinlich alles um uns herum zum Schmelzen bringen und das Wasser durch die hydraulischen Leitungen pumpen. Aber dann wird es gefrieren. Alles wird zu Eis.«
    Nun begriff Serena. »Das Mädchen im Eis. So wird es uns auch gehen.«
    »Und genau das will ich verhindern. Hier, nimm.« Er gab ihr den blutigen Verband. »Das ist deine Signalflagge. Los jetzt! Ich bin direkt hinter dir.«
    Widerstrebend nahm sie den blutigen Fetzen und kletterte dann weiter den Schacht hoch. Conrad fiel weiter zurück. Gelegentlich rief sie nach ihm, und er antwortete, aber das Echo wurde immer schwächer.
    Schließlich erreichte sie den Ausstieg. Mit eiskalten Fingern klammerte sie sich an den Rand. Der Wind heulte, und die Temperatur fiel genauso plötzlich, wie sie gestiegen war. Sie zog sich nach oben. Draußen bot sich ihr ein phantastischer, atemberaubender Anblick.
    Die gesamte Eisschüssel um die Stadt herum fiel in sich zusammen. Das Eis taute und ergoss sich in einen riesigen See, der die tiefer liegende Stadt überflutete. Noch waren die Spitzen der größeren Tempel und Obelisken zu sehen. Es würde nur noch einige Minuten dauern, bis das Wasser auch sie erreichte.
    »Bitte nicht, lieber Gott.« Sie blickte zu Conrad hinunter.
    Aber er war nicht mehr da.
    »Conrad!«, schrie sie voller Panik.
    Keine Antwort.
    Sie starrte den dunklen Schacht hinunter und sah etwas flackern: Wasser, das zu ihr hochstieg. Aber keine Spur von Conrad.
    ***
    Conrad, der sich nicht mehr länger halten konnte, rutschte den Schacht zurück in die Sternenkammer der P4, die bis zur Decke mit Wasser gefüllt war. Verzweifelt nach Luft ringend, klammerte er sich im Dunkeln an die Steindecke, bis er wieder eine Schachtöffnung fand. Er spürte, wie das Wasser ihn umschloss.
    Ein gewaltiger Sog ergriff seine Beine und zog ihn den großen Gang der Pyramide hinab in eine Art Rohr. Er konnte die Luft nicht mehr länger anhalten, gab nach und spürte sofort, wie ihm das Wasser in die Lunge drang.
    Er war drauf und dran, ohnmächtig zu werden, als er gegen ein Steingitter schlug. Das Wasser spülte über ihn und floss in dem Rohr ab.
    Völlig durchweicht rang er nach Luft, klammerte sich am Gitter fest und zog sich nach oben. Er raste den Tunnel hinab und versuchte sich zu orientieren, wusste aber, dass es hoffnungslos war. Er war völlig durcheinander und machte sich schreckliche Sorgen um Serena. Ihm tat alles weh. Er schleppte sich durch das Wasser, das ihm bis zu den Knöcheln reichte und immer höher stieg. Dann hörte er, wie hinter ihm etwas rumorte.
    Er brauchte sich nicht erst umzudrehen, um zu wissen, was da auf ihn zukam. Er schlang die Arme fest um sich und atmete tief ein. Ein Wasserschwall erfasste ihn und schwemmte ihn einen kleineren Tunnel hinab. Beim Luftholen schluckte er ständig Wasser und fiel in der Strömung immer wieder hin.
    Conrad hielt sich, so gut er konnte, merkte aber, dass er kurz davor war, das Bewusstsein zu verlieren. Er konnte sich nirgends festhalten und gab schließlich alle Versuche auf. Die Dunkelheit überwältigte ihn, und er merkte gerade noch, wie er durch einen Tunnel rauschte.
    Plötzlich wurde er ans Tageslicht
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