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Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis
Autoren: Thomas Greanias
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befördert. Beim Austritt aus der Röhre wurde er von der Wasserfontäne fast 15 Meter in die Luft geschleudert. Mit voller Wucht landete er auf dem bebenden Boden. Wasser und Wind zerrten an ihm. Unfähig, sich zu bewegen, wurde er von den Erschütterungen und dem ohrenbetäubenden Krachen der Eisberge, die auf die Stadt herabstürzten, erfasst.
    Er war völlig durchnässt, konnte aber nirgends Schutz finden, weder draußen noch drinnen: Alles, was nicht mindestens zwei Meilen aus der Ebene emporragte, wurde überschwemmt und war im Begriff, zu Eis zu werden. Mit Schrecken musste er an die Eisleichen denken, die er beim Abstieg in die P4 gesehen hatte. So wollte er auf keinen Fall enden.
    Irgendwie schaffte er es, auf alle viere zu kommen und durch das steigende Wasser zu kriechen. Er war noch nicht weit gekommen, da spürte er, wie die Temperatur bei dem peitschenden Wind sank. In der kalten, feuchten Luft zitterte er vor Kälte.
    Er bewegte sich langsamer und sah eine aufgedunsene, blau angelaufene Leiche auf sich zutreiben. Als sie an ihm vorbeikam, erkannte Conrad, dass es sich um Colonel O'Dell von der Eisstation Orion handelte. Der Schrecken im Gesicht des leblosen Körpers motivierte ihn, wieder schneller zu machen.
    Jetzt ging ihm das Wasser schon bis zu den Knien. Die Berge um die Stadt herum schoben sich unter dem ungeheueren Druck wie Blechdosen zusammen. Die Schulter tat immer mehr weh, bis die stechenden Schmerzen schier unerträglich wurden. Mit der heilen Hand stützte er sich ab und kam taumelnd auf die Beine. Im Wasser sah er etwas Farbiges.
    Es war ein zerstörter roter Hägglunds, ein Relikt der Eisstation Orion. Zum Fahren war er nicht mehr zu gebrauchen, aber vielleicht bot ihm das Führerhaus ja den zum Überleben notwendigen Schutz.
    Plötzlich neigte sich der Boden gefährlich, und Conrad schlug mit dem Kopf voraus längelang hin. Er blickte hoch und sah eine 15 Meter hohe Wasserwand auf sich zudonnern. Mit offenem Mund ergab er sich dem Schauspiel. Vor einer solchen Naturgewalt konnte man sich einfach nicht in Sicherheit bringen. Ihm wurde klar, dass es an der Zeit war, zu sterben. Er musste an Serena denken, und mit letzter Kraft streckte er den Arm nach der Tür des Hägglunds aus und drehte den schwarzen Griff, bis sich die Luke öffnete.
    Dann kam das Wasser. Zunächst waren es nur ein paar Rinnsale. Dann ein wahrer Sturzbach.
    Er hievte sich hinein und schaffte es gerade noch, den Sicherheitsgurt anzulegen und die Tür zu schließen, bevor die Wand auf den Hägglunds einstürzte und das Fahrzeug sich in einem Kessel voll strudelndem Eiswasser verlor.

37
Tagesanbruch plus 1 Stunde
    Serena befand sich an der Öffnung des südlichen Sternenschachts. Ihr Blick von der Spitze der P4 richtete sich auf den stürmischen Himmel. Ein Whiteout drohte. In der Ferne lagen dichte Schneewolken über der Eiswüste, und am fernen Horizont leuchteten Blitze auf.
    Über sich hörte sie ein bekanntes Surren. Sie konnte es nicht fassen, aber im stürmischen Himmel über ihr schwebte ein Black-Hawk-Hubschrauber des US-Militärs. Sie wedelte wild mit den Armen.
    Wie aus einem Traum kam eine Strickleiter herunter, und sie klammerte sich sofort daran fest. Sie blickte noch einmal den dunklen Schacht hinab und sah ein Schimmern. Sie stutzte und schaute genauer hin. Es war Wasser, das wie in einem Geysir nach oben drängte. Sie zerrte an der Strickleiter und wurde fortgetragen, da schoss auch schon ein Wasserstrahl in die Höhe und verfehlte den Hubschrauber nur knapp.
    Ein amerikanischer Soldat hievte sie in den Black Hawk hinein. An den Mienen erkannte sie, dass die Besatzung ziemlich verblüfft war, ›Mutter Erde‹ zu sehen. Fast so geschockt wie beim Anblick der Trümmer unter ihnen. Der Oberbefehlshaber stellte sich als Admiral Warren vor und rief dem Piloten gegen das Maschinengeheul und das tosende Wasser etwas zu.
    »Fliegen Sie hier raus!«, befahl Warren.
    »Nein«, sagte Serena mit klappernden Zähnen. »Wir müssen erst Conrad finden, Doktor Conrad Yeats. Er ist noch da unten.«
    Warren starrte sie an. »Meinen Sie etwa General Griffin Yeats?«
    »Nein, seinen Sohn.«
    Warren blickte zum Piloten hinüber, aber der schüttelte nur den Kopf. »Glauben Sie mir, jetzt ist niemand mehr da unten.«
    Der Black Hawk drehte ab.
    »Nein!« Serena versuchte nach vorn zu gelangen und das Steuer zu greifen, aber vier Soldaten hielten sie zurück und schoben sie zu dem Arzneikasten hin. Sie wollte wieder
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