Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
Vom Netzwerk:
retten können.“
    Avery faltete die zitternden Hände. „Das wusste ich nicht. Ich … er erwähnte, dass er sich verantwortlich fühlte, aber ich …“
    Ich habe es vorgezogen, ihn zu beruhigen, es sei nicht seine Schuld gewesen, und bin fröhlich meiner Wege gezogen.
    Matt kam zu ihr und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. „Es ist nicht deine Schuld, Avery, wirklich nicht.“
    Sie legte ihre Hand auf seine, dankbar für den Trost. „Matt sagt, Dad hat sich seltsam verhalten und sich von allen zurückgezogen. Aber trotzdem … was hat ihn nur zu dieser Tat veranlasst?“
    „Als ich hörte, wie er es gemacht hat, war ich nicht überrascht“, sagte Cherry. „Ich glaube, man kann jemanden so sehr lieben, dass man für diese Liebe etwas Unvorstellbares und Dramatisches tut.“
    Ein unbehagliches Schweigen senkte sich auf die Gruppe. Avery wollte etwas erwidern, doch die aufsteigenden Tränen schienen sie fast zu ersticken.
    Zum Glück wandte Buddy sich jetzt an Lilah. „Ist das Dinner fertig, mein Herz?“
    „Ist es.“ Lilah stürzte sich geradezu auf die Gelegenheit, die Aufmerksamkeit auf das Alltägliche zu lenken. „Und es wird kalt.“
    „Dann sollten wir gehen“, schlug Buddy vor.
    Sie begaben sich ins Esszimmer und nahmen Platz. Buddy sprach das Gebet, und dann wurde wie immer bei den Stevens’ eine Reihe an Schüsseln und Platten von rechts nach links weitergereicht.
    Avery aß, lobte das Essen, beteiligte sich an der Unterhaltung und war doch mit dem Herzen nicht dabei. Den anderen ging es nicht besser, obwohl sie sich alle Mühe gaben, eine ungezwungene Atmosphäre zu schaffen, um sie durch Normalität zu trösten.
    Aber wie konnte irgendetwas je wieder normal sein? Früher hätten ihre Eltern mit am Tisch gesessen, und sie hätte tuschelnd und scherzend mit Matt und Hunter zusammengehockt.
    Hunter fehlte ihr. Nur zu deutlich spürte sie seine Abwesenheit.
    Hunter war der Intellektuellste von ihnen, obwohl nicht intelligenter als sein Bruder. Beide hatten die Schule mit Bestnoten bewältigt, ohne viel Zeit zum Lernen aufzuwenden.
    Hunter mit seinem scharfen Verstand und dem sarkastischen Witz war unfähig zu den Albernheiten gewesen, denen sich andere hingegeben hatten. Oft genug war er die spöttische Stimme der Vernunft gewesen, wenn wieder mal ein Donnerwetter aufzog.
    Dass er ein erfolgreicher Anwalt geworden war, hatte sie nicht überrascht. Mit seinem klugen Kopf und der spitzen Zunge hatte er den Gegnern zweifellos reihenweise Niederlagen beigebracht.
    Als Lilah den Kuchen auftrug, brachte Avery Hunter ins Gespräch. „Matt hat mir erzählt, dass Hunter wieder nach Cypress Springs gezogen ist. Ich hatte gehofft, er wäre heute Abend auch hier.“
    Es wurde still am Tisch. Avery blickte von einem zum anderen. „Tut mir Leid, habe ich etwas Falsches gesagt?“
    Buddy räusperte sich. „Natürlich nicht, Kleines. Es ist nur so, dass Hunter in letzter Zeit einige Probleme hatte. Er hat seine Partnerschaft in der Anwaltskanzlei verloren. Soweit ich gehört habe, wurde er fast auch aus der Kammer ausgeschlossen. Vor etwa zehn Monaten ist er wieder hierher gezogen.“
    „Ich weiß nicht, warum er sich die Mühe gemacht hat“, fügte Matt hinzu, „da er sich nie bei der Familie blicken lässt.“
    Cherry machte ein finsteres Gesicht. „Ich wünschte, er wäre nicht zurückgekommen. Er hat das nur gemacht, um uns wehzutun.“
    „Vorsicht, Cherry, das weißt du nicht“, widersprach Buddy.
    „Natürlich weiß ich das. Wenn er ein richtiger Bruder und ein richtiger Sohn wäre, würde er für uns da sein. Stattdessen …“
    Lilah sprang auf. Avery sah, dass sie den Tränen nahe war. „Ich hole den Kaffee.“
    „Ich helfe dir.“ Cherry warf ihre Serviette auf den Tisch und stand mit angewiderter Miene ebenfalls auf. Sie sah Avery an. „Ehrlich gesagt, Hunter hat immer nur eines geschafft: uns das Herz zu brechen.“

3. KAPITEL
    Das Gespräch über Hunter hatte die Stimmung verdorben, und der Rest des Abends verging im Schneckentempo. Lilahs Lächeln wirkte aufgesetzt. Cherrys Laune wurde mit jeder Minute schlechter, und Buddys Fröhlichkeit grenzte an Manie.
    Nachdem der Kuchen gegessen und der Kaffee getrunken war, bedankte Avery sich und brach auf. Cherry und Lilah verabschiedeten sich im Esszimmer, und Buddy begleitete sie und Matt an die Tür.
    Buddy umarmte sie. „Du hast uns alle sehr traurig gemacht, als du weggegangen bist, aber mich ganz besonders. Ich war der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher