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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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und der dröhnenden Stimme war schon, solange sie denken konnte, Polizeichef von Cypress Springs. Obwohl ein Mann des Gesetzes wie er im Buche stand und bei Straftaten in seiner Stadt so nachgiebig wie ein Betonblock, war der Buddy Stevens, den sie kannte, für sie nur ein großer lieber Teddybär. Ein harter Kerl mit einem butterweichen Kern und einem Herzen aus Gold.
    Er drückte sie fest, schob sie auf Armlänge von sich und sah ihr traurig in die Augen. „Es tut mir so Leid, mein kleines Mädchen. So schrecklich Leid.“
    Von neuerlicher Rührung übermannt, räusperte sie sich, um den Kloß im Hals loszuwerden, und schaffte es mit einiger Mühe. „Ich weiß, Buddy, mir tut es auch Leid.“
    Er umarmte sie wieder. „Du bist zu dünn. Und du siehst müde aus.“
    Sie wich zurück, voller Zuneigung für diesen Mann, der während ihrer Kindheit und Jugend ein zweiter Vater für sie gewesen war. „Hast du’s noch nicht gehört? Frauen können gar nicht dünn genug sein.“
    „Großstadtgequatsche.“ Er drückte den Zigarrenstummel aus und führte sie mit sich ins Haus, den Arm fest um ihre schmalen Schultern gelegt. „Lilah!“ rief er. „Cherry! Seht mal, wen die Katze angeschleppt hat!“
    Cherry, die jüngere Schwester von Matt und Hunter, erschien in der Küchentür. Die früher linkische Zwölfjährige war zu einer ungewöhnlich schönen Frau herangewachsen. Groß, dunkelhaarig und mit denselben Augen wie ihre Brüder, hatte sie die eleganten Gesichtszüge und die schöne Haut der Mutter geerbt.
    Bei Averys Anblick brach sie in ein strahlendes Lächeln aus. „Du hast es geschafft! Wir haben uns furchtbare Sorgen gemacht.“ Sie ging zu Avery und umarmte sie. „So eine lange Reise sollte eine Frau nicht allein machen.“
    Ein so altväterlicher Kommentar von einer Frau in den Zwanzigern verblüffte Avery sehr. Aber wie hatte Matt richtig bemerkt: Sie war nicht mehr in der Großstadt.
    Avery erwiderte die Umarmung. „War halb so schlimm. Im Taxi nach Dullas, Non-Stop-Flug nach New Orleans und ein Mietwagen hierher. Das Schlimmste war, mein Gepäck zu bekommen.“
    „Großes, zähes Karrieremädchen“, raunte Buddy und klang alles andere als erfreut. „Ich hoffe, du hattest ein Handy dabei.“
    „Natürlich. Und immer voll geladen.“ Sie grinste ihn an. „Und was dich sicher freuen wird, ich hatte auch Pfefferspray in der Tasche.“
    „Pfefferspray? Wofür ist das denn?“ Die Frage kam von Lilah Stevens.
    „Selbstschutz, Mama“, erklärte Cherry und warf ihrer Mutter einen kurzen Blick über die Schulter zu.
    Lilah, immer noch so straff und attraktiv, wie Avery sie in Erinnerung hatte, kam von der Küche herüber und nahm Averys Hände. „Selbstschutz? Also, so was brauchst du hier nicht.“ Sie sah Avery in die Augen. „Liebes, willkommen daheim. Wie geht es dir?“
    Avery drückte ihr die Hände, während ihr Tränen in die Augen traten. „Es ging mir schon besser, danke.“
    „Es tut mir so Leid, Liebes, ich kann dir gar nicht sagen, wie.“ „Ich weiß, und euer Mitgefühl tut gut.“
    Im Nebenraum meldete sich eine Zeitschaltuhr. Lilah ließ Avery los. „Das ist der Kuchen.“
    Die Düfte, die der Küche entströmten, waren himmlisch. Lilah Stevens war die beste Köchin der Gemeinde und räumte auf jedem Gemeindefest Preise ab. Avery erinnerte sich, als Kind bei jeder Gelegenheit nach einer Einladung zum Essen geangelt zu haben. „Was für ein Kuchen?“
    „Erdbeer. Ich weiß, du magst lieber Pfirsich, aber es ist fast unmöglich, um diese Zeit anständige Pfirsiche zu bekommen. In Louisiana gibt es die ersten Beeren, und die sind köstlich, möchte ich hinzufügen.“
    „Törichtes Weib“, unterbrach Buddy sie. „Das arme Kind ist erschöpft, und du brabbelst über Lebensmittel. Lass das Mädchen sich erst mal setzen.“
    „Brabbeln?“ Sie drohte mit dem Zeigefinger. „Wenn du Kuchen möchtest, Mr. Stevens, musst du dich ins Azalea Cafe begeben.“
    Er wirkte sofort zerknirscht. „Entschuldige, mein Herz. Du weißt, ich wollte dich nur necken.“
    „Jetzt bin ich plötzlich dein Herz, was?“ Sie verdrehte die Augen und wandte sich wieder an Avery. „Da siehst du, was ich all die Jahre durchgemacht habe.“
    Avery lachte. Sie hatte sich immer gewünscht, ihre Eltern könnten mehr wie Buddy und Lilah sein, offen einander zugetan und sich neckend. Nie in all der Zeit, die sie im Haus der Stevens’ verbracht hatte, war ihr ein böses Wort zwischen den beiden aufgefallen.
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