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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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festen Überzeugung, dass du meine Tochter werden würdest.“
    Avery erwiderte die Umarmung. „Ich liebe dich auch, Buddy.“
    Matt brachte sie zu ihrem Wagen. „Eine schöne Nacht“, sagte sie leise und hob das Gesicht zum Himmel. „Diese Sterne, ich hatte ganz vergessen, wie viele es sind.“
    „Der Abend hat mir sehr gefallen, Avery. Es war wie früher. Ich bin froh, dass du zurück bist. Du hast mir gefehlt.“
    Sie schluckte trocken und gestand sich ein, dass auch er ihr gefehlt hatte. Genauer gesagt, ihr hatten Situationen wie diese gefehlt. Unter einem sternenübersäten Himmel mit ihm vor dem Haus seiner Eltern zu stehen, gab ihr ein Gefühl der Vertrautheit und Geborgenheit.
    „Warum bist du fortgegangen, Avery? Dad hat Recht, du gehörst hierher, du bist eine von uns.“
    „Warum bist du nicht mitgekommen?“ konterte sie. „Ich hatte dich gebeten, ja sogar angefleht, wenn ich mich recht entsinne.“
    Matt hob eine Hand, als wolle er sie berühren, ließ sie aber wieder sinken. „Du hast dich immer nach mehr gesehnt, als Cypress Springs oder ich dir bieten konnten. Ich habe das nie verstanden, aber ich musste es akzeptieren.“
    Sie wandte den Blick ab. Dass er die Wahrheit so nüchtern erkannt hatte, war ihr unangenehm. Sie wechselte das Thema. „Cherry und dein Dad sagten, dass du der aussichtsreichste Kandidat für die Wahl zum Bezirkssheriff im nächsten Jahr bist. Das überrascht mich nicht. Du hast immer gesagt, dir sei Großes bestimmt.“
    „Aber unsere Definitionen von groß sind immer weit auseinander gegangen, oder?“ „Das ist nicht fair, Matt.“
    „Fair oder nicht, es ist wahr. Du hast mir das Herz gebrochen.“
    Sie sah ihm in die Augen. „Du mir meines auch.“
    „Dann sind wir ja quitt. Ein gebrochenes Herz pro Person.“
    Seine Bitterkeit schmerzte sie. „Matt, es war nicht deinetwegen. Es lag an mir. Ich habe mich nie …“
    Sie wollte sagen, dass sie sich nie als Teil von Cypress Springs gefühlt hatte. Seit der Teenagerzeit wusste sie, dass sie nicht so war wie die anderen Mädchen hier. Aber das Argument erschien ihr jetzt unreif.
    „Und was ist mit der Gegenwart, Avery? Was brauchst du jetzt, was willst du?“
    Bedrängt durch seinen intensiven Blick, sah sie zur Seite. „Ich weiß es nicht. Aber ich will nicht dorthin zurück, woher ich gekommen bin, und das meine ich nicht geographisch.“
    „Klingt ganz, als hättest du noch über einiges nachzudenken.“
    Das ist eine gigantische Untertreibung. Sie wandte sich ihrem Geländewagen zu, schloss auf und drehte sich noch einmal zu Matt um. „Ich muss los. Ich schlafe schon fast im Stehen ein, und morgen wird ein schwieriger Tag.“
    „Du könntest bei uns bleiben, das weißt du. Mom und Dad haben jede Menge Platz. Und sie würden dich gern aufnehmen.“
    Sie war geneigt, das Angebot anzunehmen. Die Vorstellung, im Haus ihrer Eltern zu schlafen, nachdem ihr Vater … sie fürchtete, keinen Schlaf finden zu können.
    Den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, wäre allerdings feige. Sie musste sich dem Selbstmord ihres Vaters stellen, und damit würde sie heute Nacht beginnen, indem sie in ihrem Elternhaus schlief.
    Matt langte an ihr vorbei und zog ihr die Wagentür auf. „Immer noch so entsetzlich unabhängig, wie ich sehe, und störrisch wie ein Esel.“
    Avery glitt hinter das Steuer, startete den Motor und sah Matt an. „Manche Leute würden das für einen Vorzug halten.“
    „Klar doch, bei Eseln.“ Er beugte sich zu ihr vor. „Wenn du etwas brauchst, ruf mich an.“
    „Mache ich. Danke.“ Er schlug die Tür zu. Sie fuhr rückwärts die steile Auffahrt hinunter, verließ das Viertel und schlug den Weg in das alte Stadtviertel ein, in dem sie aufgewachsen war.
    Amüsiert dachte sie daran, wie sie ihre Eltern seinerzeit bekniet hatte, den Stevens’ in das neue Stadtviertel Spring Water zu folgen, in dem sie ein Haus gekauft hatten. Sie war begeistert gewesen von den weitläufigen Häusern im Ranchstil und von den Freizeiteinrichtungen: Pool, Tennisplatz und Clubhaus für Partys.
    Was ihr damals so neu und außergewöhnlich erschienen war, sah sie heute nüchtern als billig gebaute Häuser im Zuckerbäckerstil, mit kleinen Grundstücken, damit auf dem gerodeten Gelände möglichst viele Parzellen ausgewiesen werden konnten.
    Glücklicherweise hatten ihre Eltern sich geweigert, ihr Haus in unmittelbarer Nähe der Innenstadt und der Praxis ihres Vaters zu verlassen. Solide um 1920 gebaut, verfügte ihr
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