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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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wusste, was sie dachte – dass er sie vergewaltigen wollte. Aber eher würde er sich kastrieren, als sich mit so einer abzugeben. Außerdem, was wäre das schon für eine Strafe oder Warnung?
    Nein, er hatte etwas sehr viel Denkwürdigeres für sie im Sinn. Einen Schritt vor dem Bett blieb er stehen. Die Hand noch auf ihrem Mund, zwang er sie, hinabzublicken auf die Matratze, um das Geschenk anzusehen, das er ihr gemacht hatte.
    Er hatte es aus einem Baseballschläger hergestellt, aus einem kleinen, wie sie von Fans im Souvenirladen des Stadions gekauft werden, und ihn mit einer Art Stachelhaut aus einer platt geklopften Coladose ummantelt, wofür er Diätcola gewählt hatte, ihr Lieblingsgetränk. Schwierig war es allerdings gewesen, die Klinge in die runde Spitze einzufügen.
    Er konnte genau den Moment bestimmen, als sie das Instrument sah. Sie erstarrte vor Entsetzen. Panik vor dem Unvorstellbaren erfasste sie.
    „Für dich, Elaine“, flüsterte er an ihrem Ohr. „Da du so gerne vögelst, besteht deine Strafe darin, dir zu geben, was du so sehr magst.“
    Sie wich zurück, an ihn gepresst. Ihre Panikreaktion erfreute ihn, und er lächelte, wobei sich die Skimaske über seinem Mund spannte.
    Er hatte fast Mitleid mit ihr, aber nur fast. Sie hatte sich ihr Schicksal selbst zuzuschreiben.
    „Damit kann ich dich aufschneiden. Elaine“, fuhr er fort und senkte die Stimme. „Von innen, Elaine. Es wird unerträglich. Massive Blutungen führen zum Schock, dann zum Koma und schließlich zum Tod. Und du wirst beten, dass der Tod dich rasch holt.“
    Wehrlos stieß sie einen hohen Laut des Entsetzens aus.
    „Hättest du geglaubt, dass man zu Tode gevögelt werden kann, Elaine? Möchtest du das?“
    Sie wehrte sich, da er sie näher heranführte. „Stell dir vor, wie es sich anfühlt. Denk an den Schmerz und die Hilflosigkeit. Du wirst wissen, dass du stirbst, und den Tod herbeisehnen.“ Er presste den Mund an ihr Ohr. „Aber so schnell geht es nicht. Vielleicht hast du Glück und wirst bewusstlos, aber ich könnte dich wach halten. Es gibt Möglichkeiten. Du wirst um Gnade winseln und um ein Wunder beten. Aber es wird keines geschehen. Kein Held eilt herbei, um dich zu retten, niemand wird deine Schreie hören.“
    Sie zitterte so heftig, dass er sie halten musste, damit sie nicht zusammenbrach. Tränen liefen ihr über die Wangen.
    „Dies ist die einzige Warnung“, fuhr er fort. „Verlass Cypress Springs sofort und ohne Aufsehen. Rede mit niemandem, nicht mit Freunden, nicht mit deinem Arbeitgeber oder Vermieter. Wenn du mit jemandem sprichst, wirst du getötet. Die Polizei kann dir nicht helfen, also wende dich nicht an sie. Tust du es doch, wirst du getötet. Wenn du bleibst, wirst du getötet. Dein Tod wird schrecklich sein. Das verspreche ich dir.“
    Er ließ sie los, und sie sackte als Häufchen Elend zu Boden. Er blickte auf ihren zitternden Körper hinab. „Wir sind viele, und wir beobachten dich ständig. Hast du das verstanden, Elaine St. Claire?“
    Da sie nicht antwortete, griff er ihr ins Haar und riss ihren Kopf hoch, damit sie ihn ansah. „Hast du verstanden?“
    „J… ja“, stammelte sie flüsternd. „Alles … ich mache alles.“
    Er verzog den Mund zu einem schwachen Lächeln. Meine Generäle werden erfreut sein.
    Er ließ sie los. „Kluges Mädchen, Elaine. Vergiss diese Warnung nicht. Du bist jetzt Herrin deines Schicksals.“
    Der Vollstrecker nahm das Tatwerkzeug an sich und ging davon. Als er die Tür schloss, hallten ihre Schluchzer durch die Wohnung.

1. KAPITEL
    Cypress Springs, Louisiana,
    Mittwoch, 5. März 2003,
    14 Uhr 30.
    Avery Chauvin parkte ihren gemieteten Geländewagen vor Rauches „Dry Goods Store“ und stieg aus. Eine feuchte Brise strich ihr über den verschwitzten Nacken und zerzauste das kurze schwarze Haar, während sie die Main Street hinuntersah. Rauches Laden lag immer noch an der begehrten Ecke von Main und First Street. Das Azalea Cafe schrie immer noch nach einem frischen Anstrich, die Kreisbank war noch nicht von einem großen Bankenkonsortium geschluckt worden, und der Stadtplatz, an dem diese Häuser lagen, war so hübsch und schattig wie eh und je, und die Laube in seiner Mitte von erstaunlichem Weiß.
    In ihrer Abwesenheit hatte sich Cypress Springs kein bisschen verändert. Wie konnte das sein? Ihr kam es vor, als wären die zwölf Jahre, seit sie zur Louisiana State University in Baton Rouge gegangen und nur an den Wochenenden heimgekehrt war,
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