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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden
Autoren: China Miéville
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herausgestellt, was man erwartet hatte.
    Die Polizisten, die gekommen waren, trugen Waffen. Ich weiß, dass EzCal – wenn die Situation ein wenig anders gewesen wäre – ihnen möglicherweise befohlen hätten, uns zu töten, so wie sie versucht hatten, uns während der Reise zu töten. Doch jetzt würden die restlichen Personalangehörigen in ihrem nutzlosen Gefolge, die Polizisten und sogar JasMin, die auch da waren, dies nicht zulassen. Inzwischen hatte jeder in Botschaftsstadt die ankommende Armee und meine Übertragung gesehen, und jedermann wusste, dass wir sie gestoppt hatten. Alles, was Cal für ein paar letzte Stunden hatte, war die Vortäuschung, dass er herrschte.
    Die Terre-Flüchtlinge waren jeden Tag ein Stückchen näher gekommen. Jetzt mischten sie sich unter uns, obschon das Einzige, was sie meistens taten, darin bestand, unsere Interaktionen mit den Absurden zu beobachten. Ez blickte zum Himmel und dann die weite Strecke zurück nach Botschaftsstadt.
    Viel später hörte ich Geschichten über seine Taten während meiner Reisen: wie er es bewerkstelligt hatte, Cals Geduld auf die Probe zu stellen; die Pläne für ein Unterfangen, das man nur als Staatsstreich betrachten konnte, die Cal mehr voller Verachtung als voller Wut zunichtegemacht hatte. Ez beäugte uns. Ich konnte sehen, wie erinnerlich Pläne schmiedete. Mein Gott, hörst du niemals damit auf?, dachte ich. Seine Geschichte war mir scheißegal. Für Botschaftsstadt und die Sprache losen waren Ez’ und Cals kleinliches Gezänke weitaus weniger wichtig als die Tatsache, dass sie EzCal waren.
    Ich stand da mit den Gesandten der Absurden-Armee. Es waren zwanzig oder dreißig, die es aus den Reihen nach vorn geschafft hatten.
    »Du bist es also, zu der ich spreche, nicht wahr, Avice Benner Cho?«, sagte Cal kalt lächelnd. »Du sprichst für …« Er wies auf den Fächerflügellosen, der mir am nächsten stand, auf unseren einstigen Gefangenen.
    »Theuth«, erwiderte ich. »Er nennt sich Theuth.«
    »Was meinst du damit, ›er nennt sich Theuth‹?«, fragte er. »Er nennt sich gar nichts …«
    »Wir nennen ihn Theuth«, fiel ich ihm ins Wort. »Das ist also sein Name. Ich werde dir zeigen, wie man das aufschreibt. Oder besser noch, Theuth wird das tun.«
    Schlimm genug, besiegt zu sein, nicht wahr? Selbst jetzt würdest du am liebsten versuchen, uns auszuschalten, Cal: mich, Bren und all die anderen von uns. Denn die Art und Weise, wie wir Botschaftsstadt retteten, bedeutet das Ende deiner Herrschaft – und diese ist tatsächlich, schau nur, an ihr Ende gelangt. Und auch, wenn deine ganze verdammte Präfektur nur eine Veranstaltung der Verzweiflung und des Zusammenbruchs war, verlörest du sie lieber zu deinen Bedingungen, als dass sie nach unseren gerettet würde. Das war es, was ich sagen wollte.
    Da waren auch Absurde an der Seite von Theuth und Spanischer Tänzer, und zwar diejenigen, die bei der Bildung der ideogrammatischen Schrift, die sie gerade erfanden, am geschicktesten waren und die bei der Deutung und Darstellung von Gesten die größte Intuition zeigten. Es war keine stabile Gruppe. Überdies waren sogar ein paar tapfere ariekenische Süchtige angekommen, die den ganzen Weg von der Gastgeberstadt auf sich genommen hatten – und dabei von stibitzten Datchips lebten –, um die historische Übereinkunft, dieVeränderung, zu sehen. Hausdach war auch da und spielte traurig seine eigenen Tondateien für sich ab. Menschliche Ausreißer, die auf Felsvorsprüngen mit guter Aussicht hockten – das Gestein war gefärbt von fleckigen ariekenischen Schimmelpilzen –, beobachteten die Verhandlungen. Sie kamen und gingen, wie sie wollten.
    Cal, vielleicht auch Ez, versuchte, das Geschehen als langwierige Besprechung darzustellen. Tatsächlich war es nur ein langsamer Prozess, um in einer im Entstehen begriffenen Schrift Fakten zu erklären und Befehle zu erhalten. Was Tage in Anspruch nahm, das war sicherzustellen, dass die Absurden alles begriffen, und zu verstehen, was wir entsprechend ihren Wünschen unternehmen sollten.
    Du hast keine Autorität, hätte ich zu Cal sagen können. Dies ist eine Kapitulation. Du liebtest ein wenig Gepränge: Auf diese Weise kannst du vielleicht in späteren Jahren nostalgische Erinnerungen an den Untergang eines Reiches heraufbeschwören. Doch du bist nur hier, weil ich den Absurden gesagt habe, du wärest derjenige, dem sie erklären müssten, was zu tun sei. Und die zuschauenden Menschen – die
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