Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt aus Trug und Schatten

Stadt aus Trug und Schatten

Titel: Stadt aus Trug und Schatten
Autoren: Mechthild Gläser
Vom Netzwerk:
weil dieses Grinsen ja wohl eindeutig auf Letzteres hindeutete. Mein Vater, der mit dem Rücken zu mir saß, bemerkte von alldem nichts. Christabel und Marian musterten mich allerdings mit einem höchst merkwürdigen Blick.
    »Ist alles in Ordnung, Engelchen?«, fragte Christabel.
    Ich blinzelte. »Ja, klar«, stammelte ich. »Gute Nacht.«
    Verunsichert stolperte ich ins Bad und stellte mich unter die Dusche. Länger als nötig ließ ich mir das heiße Wasser auf Kopf und Rücken plätschern. Es tat gut. Als würde alle Verwirrung von mir gewaschen. Ich fühlte, wie sich meine Muskeln entspannten und das Gedankenkarussell in meinem Kopf langsamer wurde. So langsam, dass ich, als ich kurz darauf satt und schläfrig in meinem Bett lag, beschloss, mich vorhin in der Küche getäuscht zu haben. Es war ein langer seltsamer Tag gewesen. Kein Grund, hinter jeder Ecke einen Schatten zu sehen, dachte ich, schob mir Franz, mein schafförmiges Kuschelkissen, in den Nacken und griff nach dem Buch auf meinem Nachttisch, um noch ein wenig zu lesen. Schon nach ein paar Seiten jedoch fielen mir die Augen zu. Ich war müde, unheimlich müde. Müde wie nie in meinem Leben.
    Der Schlaf überkam mich wie ein unbändiger Sog, schien mich zu verschlingen. Es kam mir vor, als würde er mich in die Tiefe reißen. Als fiele ich mitten hinein in ein dunkles Nichts. Als sänke ich hinab zum Grund eines schwarzen Vulkansees. Es fühlte sich gut an, beruhigend. Aber ganz anders als sonst. Normalerweise dämmerte ich langsam hinüber, hatte einen leichten Schlaf.
    Jetzt aber ließ ich mich erschöpft fallen, weiter und immer weiter hinab in die Finsternis, ein Meer aus samtigem Schwarz, das über meine Haut strich wie eine Liebkosung. Bis die wohlige Schwärze plötzlich von einem gleißenden Licht durchbrochen wurde, das mich blendete und zurückzucken ließ. Ich konnte die Quelle nicht ausmachen, doch einen kurzen Augenblick lang fühlte ich mich ganz und gar durchleuchtet. Mein Innerstes war erfüllt von dem Licht, heiß glühend und klar. Friedlich. Fast hatte ich den Eindruck, ich selbst wäre es, die leuchtete wie eine Sternschnuppe und am nächtlichen Himmel ihre Bahn zog. Ich genoss die Hitze auf meiner Haut, die mich zu streicheln schien, sah nichts als Helligkeit und fühlte mich geborgen. Am liebsten wäre ich für immer im Licht geblieben.
    Doch wenig später erlosch es genauso plötzlich, wie es erstrahlt war. Die Dunkelheit, die mir vorher so angenehm gewesen war, umschloss mich erneut, dieses Mal jedoch mit eisigem Griff, und riss mich weiter hinab in ihren Schlund. Ich fror, schlang im Fallen die Arme um meinen Körper und bemerkte im gleichen Augenblick, dass ich nicht länger allein war.
    Überall um mich herum waren jetzt schemenhafte Gestalten. Und auch sie fielen. Wie menschliche Regentropfen rasten wir gemeinsam hinab. Frierend stürzten wir einem Erdboden entgegen, der von einer Sekunde zur nächsten unter uns erschienen war. Ich erkannte ein Meer von Dächern und Schornsteinen, das sich von Horizont zu Horizont erstreckte. Eine Stadt. Grau leuchtete sie mir entgegen. Doch ich Verspürte keine Furcht, war seltsam teilnahmslos, wie man es nur im Traum sein konnte.
    Träumte ich tatsächlich wieder?
    Ich wusste es nicht, fiel einfach immer weiter. Die finstere Stadt unter mir kam unablässig näher. Straßen und Plätze schälten sich aus dem Dickicht der Häuser. Menschen waren auf ihnen unterwegs, wurden rasend schnell größer, während ich geradewegs auf das Dach eines rechteckigen Gebäudes zustürzte, schneller und schneller. Fast schon hatte ich es erreicht.
    Den Aufprall erwartend, blinzelte ich, nur den Bruchteil einer Sekunde schlossen sich meine Lider. Doch im gleichen Augenblick spürte ich, wie mein Fallen abrupt endete.
    Ungläubig schlug ich die Augen auf.

3
EISENHEIM
    Wieder befand ich mich in diesem Raum. Ich erkannte ihn am Geruch und den Gerätschaften unter der Decke. Allerdings schwamm ich dieses Mal nicht in einer Wanne voller Nebel, sondern lag auf einer Art Trage. Und ich fühlte mich auch nicht so erstarrt wie in meinem Traum am Mittag.
    Schwungvoll setzte ich mich auf und bemerkte, dass ich mit meiner Vermutung anscheinend gar nicht so falschgelegen hatte: Ich war in einer Art Labor gelandet, und zwar in einem sehr staubigen. Der Raum war klein, kaum größer als mein Zimmer. Vielleicht wirkte er aber auch nur so, vollgestopft, wie er war. Mit Ausnahme der Aussparung, die man für eine niedrige
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher