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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition)
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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»sanfte Stimme« hörten, die schmeichelnd und verführerisch klang, suchten sie seine Nähe, um sich ein Kompliment abzuholen oder sich an die Heldentat eines ihrer Urahnen erinnern zu lassen, die der Geschichtensänger für immer in seinem Gedächtnis bewahrte.
    »Hier kommt Amaga, Sohn von Yabarra und Enkel von Ogobarra, der den Löwen tötete«, sang er vielleicht. »Möge sein Körper immer gesund sein und die Kälte des Winters nicht spüren. Seht euch an, wie er geht, das ist der Gang der schlanken Helden. Möge Komo, der die Dicken tötet, ihn und seine ganze Familie beschützen!«
    » Alaman sona , Gott mit dir«, erwiderte Amaga dann lächelnd.
    Sah der Geschichtensänger eine junge Mutter, die sich ihr Baby mit einer bunten Stoffbahn so auf den Rücken gebunden hatte, dass nur seine Füßchen hervorschauten, sang er: »Amma sei mit mir und schärfe meinen Blick. Ist das nicht der kleine Indiélou Schnellfuß? Der Wege entdecken wird, wo kein anderer den Pfad findet?«, meinte er neckend. »Passt nur auf, was der mit seinen Füßen anstellen wird, wenn man ihn erst laufen lässt!«
    Und die Mutter ging zufrieden lächelnd an ihm vorbei.
    Doch manchmal kam es auch anders.
    Dann setzte sich Matuké erst gar nicht unter die Zweige des Fromager -Baums, um zu singen, oder er hatte dabei schlechte Laune. Oder verspottete die anderen.
    Vielen Einwohnern des Dorfes hatte er Spitznamen verpasst, die nun alle benutzten. Einige hatten Glück gehabt wie zum Beispiel Yassegué, die Dank ihres langen Halses nur noch Schwarze Giraffe genannt wurde. Andere wie Merélkondo Wildschweinschnauze beklagten sich immer noch über Matukés Wahl.
    Als Rokia an diesem Tag zum alten Geschichtensänger kam, schien er sehr gut gelaunt zu sein. Er klimperte ein wenig abwesend auf seiner Kora herum. Vor ihm standen einige Mädchen, darunter Rokias Freundin Yatoyé, die hübsche lange Beine hatte, aber nicht gerade häufig den Rücken krumm machte, um Wasser am Brunnen zu holen.
    »Man sagt, man sagt …«, sang Matuké gerade, »da war eine wunderschöne Frau. Oh, ja. Sie war schöner als der Ibis, strahlte heller als die Zähne des Krokodils. So schön war sie, dass der Mond sich in ihren Augen spiegelte und ihre Schönheit selbst den Löwen erblassen ließ. Sie war so schön, so schön … Und sie hieß … wie hieß sie?«
    Yatoyé erkannte sich in der Beschreibung wieder und blieb stehen, um dem Geschichtensänger zuzuhören, während ihre Freundinnen ein wenig neidisch kicherten.
    Lächelnd fuhr der Geschichtensänger fort: »Eines Tages kam ein Wüstenprinz und begehrte sie zur Frau. Blau waren seine Augen und blau war sein Mantel, o ja! Blau waren die Sättel seiner Kamele, acht mal acht mal acht an der Zahl, wer weiß, wie oft noch acht mal! Er hatte so viele Kamele, dass man ihre Spuren noch im Sand sah, als sie ihr Ziel schon erreicht hatten.«
    Yatoyés Freundinnen umarmten sie kichernd.
    »Man sagt, man sagt … sie erschien ihm noch viel schöner, als er es sich vorgestellt hatte. Und er hätte all seine Kamele dafür gegeben, um seinen Durst bei ihr zu stillen. O ja, dieser Prinz war wirklich durstig! Sie wollte ihm ein wenig Wasser geben, aber ihr Rücken beugte sich nicht. Sie blieb stocksteif stehen! Der Rücken stocksteif! Deshalb reiste der Prinz enttäuscht wieder ab, denn wenn eine Frau ihren Rücken nicht beugt, ist sie eines Prinzen nicht würdig!«
    Yatoyés Freundinnen brachen in Gelächter aus und nannten sie von da an Stocksteifer Rücken, während das Mädchen, hochrot im Gesicht, ihr Wassergefäß aufhob.

    »Großvater!«, rief Rokia und lief zu ihm.
    Matuké lächelte sie an, und auf einmal klang seine Kora heiterer und freudiger und entwarf eine Melodie, die sich nun zu einem vollkommenen Kreis zu schließen schien:
    »Wenn der Prinz mit den Kamelen doch nur gewartet hätte!«, sang er nun. »Dann hätte er Rokia, Tochter von Zouley, Tochter von Matuké, getroffen! Das Mädchen mit den Fuchsohren!«
    »Bitte nicht …«, flüsterte ihm Rokia zu und legte schnell die Hände über die Ohren, um sie zu verstecken. »Wenn du dich über meine Ohren lustig machst, werde ich nie einen Mann finden!«
    Der alte Griot schlug einen letzten Akkord an, dann legte er die Kora ans Kinn. »Warum solltest du keinen Mann finden? Fuchsohren sind ein Zeichen, dass Amma dich gesegnet hat!«
    Rokia hockte sich neben ihn. »Ich danke dir dafür, Großvater, aber ich möchte trotzdem nicht, dass mein Ehemann mich einmal
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