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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition)
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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machen müssen.«
    »Ja, das stimmt!«, rief Rokia.
    »Und das ist doch eine wunderbare Bedeutung, findest du nicht?«, sagte Großvater abschließend und lehnte sich wieder an den Baum.
    »Heißt das, ich werde eine lange Reise antreten?«
    »Vielleicht.«
    »Bist du schon mal weit gereist?«
    »Natürlich.«
    »Und warum?«
    »Damit ich lernte, mein Instrument zu spielen und zu singen. Hier gab es niemanden …«, bei diesen Worten klang Matukés Stimme auf einmal traurig: »Niemanden, der mich dies lehren konnte.«
    »Und was hast du gesehen, als du unser Dorf verlassen hast?«
    »Andere Dörfer.«
    »Und …«, Rokia beendete ihre Frage nicht, als hätte sie plötzlich etwas Seltsames wahrgenommen.
    Sie drehte sich um.
    Hinter ihr war schleichend wie eine Krankheit der Priester des Dorfes aufgetaucht. Er trug ein langes, schwarzes Gewand und viele Ketten um den Hals. Um die Taille hatte er sich eine weiße Schärpe gebunden. Der Mann stützte sich auf zwei knotige Stöcke, die ihn überragten, und starrte sie an.
    »Gesundheit deinem Körper, Bruder«, begrüßte ihn Matuké und hob die Kora.
    Setuké hob nur stumm einen der Stöcke, um seinen Gruß zu erwidern. Die Zeit und seine magischen Rituale hatten tiefe Spuren im Gesicht des Hogon hinterlassen, der früher das genaue Ebenbild des Geschichtensängers gewesen war. Jetzt wirkte es eingefallen, kantig und finster, so dass sich die Zwillinge fast nicht mehr ähnlich sahen.
    Rokia überlief ein Angstschauer. Dieser Mann war immer so schweigsam und geheimnisvoll, und er verhielt sich so rätselhaft, dass Rokia sich in seiner Nähe stets unwohl fühlte. Als würde seine Anwesenheit genügen, um die Luft mit beunruhigenden Schatten zu füllen.
    »Rokia hat mir gerade ihren letzten Traum erzählt«, fuhr Matuké fort. Die Zwillinge starrten einander an, als würden sie gerade Geheimnisse austauschen, die niemand außer ihnen kannte.
    »Einen Traum?«, raunte Setuké leise und sah jetzt das Mädchen an. »Was für einen Traum?«
    Unter dem Druck dieser stechenden Augen fühlte Rokia sich, als würde sie unter den Schatten des Fromager -Baums zerquetscht.
    »Ich … bin … gerannt …«, brachte sie stotternd heraus und betete insgeheim, dass sie bald verschwinden konnte.
    Und wie durch ein Wunder rief ihre Mutter in diesem Moment: »Rokia!« und winkte ihr und lenkte damit die Aufmerksamkeit der drei auf sich.
    Zouley, die Tochter von Matuké, dem Geschichtensänger, stand plötzlich auf der roten Stufe im Hof.
    »Rokia! Wo hast du denn gesteckt? Belästige Großvater nicht länger! Ich brauche dich sofort hier drinnen!«
    Ihre Mutter hätte zu keinem gelegeneren Zeitpunkt ihre Hilfe verlangen können.
    »Ich komme!«, antwortete das Mädchen strahlend.
    Dann verabschiedete Rokia sich vom Großvater, verbeugte sich steif vor dem Priester und lief ins Haus.
    Die beiden alten Männer sahen ihr nach, bis sie drinnen verschwunden war, dann wandte sich der Priester noch einmal an seinen Bruder und fragte: »Was für ein Traum war das?«
    »Ein Traum mit schlimmen Botschaften.«

DAS WASSER
    Zouley hatte die ausdrucksvollen Augen ihres Vaters geerbt, aber auch seine großen Ohren, die sie sich hatte durchstechen lassen, um die langen blau-gelben Ohrgehänge tragen zu können, die ihr bis auf die Schultern fielen. Sie trug die Haare mit einem blauen Stirnband im Ku tari , einer traditionellen Dogon -Frisur, zurückgenommen: sechzig Zöpfchen in der Mitte und an den Seiten noch mal jeweils zehn, die alle in einem blauglasierten Terrakottaring endeten. Rokia hatte ihr die Haare geflochten, während ihr Großvater vor der Hütte saß und ein altes Lied sang, in dem es um einen Baum ging, dessen Wurzeln aus Frauenhaaren bestanden.
    Jetzt stand Zouley da, stützte sich auf einen langen Reisigbesen und wartete auf Rokia. Sie wollte eigentlich streng wirken, aber ihre Augen straften sie Lügen. Eher wirkten sie ein wenig besorgt. Seit längerem schon hatte Zouley einen Verdacht, dem sie sich lieber nicht stellte.
    Rokia rannte auf den Hof zu und sprang mit einem Satz über die rote Stufe, die ihn begrenzte.
    »Renn nicht so!«, ermahnte sie die Mutter. »Hat man ein Mädchen je so rennen gesehen?«
    »Aber du hast doch nach mir gerufen!«
    Zouley drehte sich den Hütten zu, die auf den Hof gingen.
    »Sicher habe ich dich gerufen! Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst Großvater nicht stören! Du musst mir helfen! Ich werde langsam müde, mein Rücken tut mir weh, und
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