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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland
Autoren: Beate Sommer
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in der Tür, einen Aktenordner unter den Arm geklemmt und ein Blatt Papier in der Hand schwenkend. »Tut mir leid, dass ich dir den Feierabend vermassele, aber das solltest du dir mal ansehen.«
    Hartmann wies auf unordentliche Papierberge, die seinen Schreibtisch bedeckten. »Sieht das hier für dich nach Feierabend aus? Wenn ihr allerdings in der glücklichen Lage seid, pünktlich Schluss machen zu können«, er warf einen demonstrativen Blick auf seine Uhr, »und sechzehn Uhr ist eigentlich etwas überpünktlich, dann lass ich mich zu euch versetzen.«
    »Soll das eine Drohung sein?« Groen, dessen Statur der einer Flasche nicht unähnlich war, ließ grinsend das Blatt auf Hartmanns Tastatur sinken. »Mein Bauch sagt mir, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt, wobei ich nicht sicher bin, ob es wirklich ein Fall für euch ist und nicht doch für uns.«
    Hartmann seufzte. Groens Bauch war beträchtlich, sein Verstand ebenso, was die meisten Menschen unterschätzten. Sie gingen davon aus, dass sich hinter solch einer Fassade bestenfalls die Denkfähigkeit eines Erstklässlers verbergen konnte, manche redeten gar mit ihm, als wäre er behindert, laut und überdeutlich und in grammatikalisch zweifelhaftem Deutsch.
    Allerdings wusste Groen sich durchaus zu wehren. »Jetzt auch draußen? Wie dir gehen?«, hatte er mal einem armen Tropf ins Ohr geschrien und ihm eine nahezu gewalttätige Umarmung angedeihen lassen, begleitet von urlautähnlichen Freudenbekundungen, bis der andere es geschafft hatte, sich aus der Umklammerung zu winden und mit hochrotem Kopf zu fliehen. Die Nummer war heute noch für einen Lacher gut. Hartmann wusste, dass es nur einmal ein Kollege gewagt hatte, einen Neuen mit entsprechenden Anweisungen zum »dummen Groen« zu schicken. Groen war es, der zuletzt gelacht hatte, nämlich, als er mit der Frau des Kollegen, einer zierlichen, überaus hübschen Person, zum Traualtar geschritten war. Immerhin war er noch heute glücklich mit ihr verheiratet, also musste das Ganze auch etwas mit Liebe zu tun gehabt haben. Einerlei, wenn Groen sagte, etwas sei faul, dann war das meistens auch so.
    Widerstrebend überflog er die Meldung. Franziska Eising, Alter fünfundzwanzig, vermisst seit Freitagabend, nachdem sie ihren Arbeitsplatz, eine Buchhandlung in Niedernhausen, dem Ort, in dem er selbst lange Jahre gewohnt hatte, verlassen hatte. Sie war mit ihrem Freund, ein Peter Wolkenstein, auf einer Party verabredet gewesen, aber weder dort noch zu Hause erschienen, wobei er sich nichts gedacht habe, weil sie sich am Tag zuvor wegen einer Kleinigkeit gestritten hätten und er angenommen habe, sie sei bei ihrer Schwester geblieben.
    »Ist ein bisschen dünn für deinen Verdacht, meinst du nicht?«, erkundigte sich Hartmann. »Oder hältst du die Anzeige für Vernebelungstaktik?«
    Groen winkte ab. »Nee, Wolkenstein ist einer, der sogar Spinnen ins Freie setzt, und das auch nur, wenn es nicht zu kalt ist. Kein Gewalttäter, da müsste ich mich schon sehr irren.«
    »Worum ging es bei dem Streit?«
    »Haushaltskram, worüber man sich in dem Alter halt so in die Haare kriegt, Putzen, Einkaufen, Zahnpastatube – nein, die kommt erst später.«
    »Ach ja«, murmelte Hartmann und bezweifelte die Chronologie solcher Kontroversen, die Zahnpastatube war in seiner Ehe ein Dauerthema gewesen. »Wenn es kein Unfall war, und ich gehe davon aus, dass du das überprüft hast, wird einfach ein anderer Mann dahinterstecken, was sonst?«
    »Auf die Idee bin ich selber schon gekommen«, erwiderte Groen, »aber sie hätte am Samstag arbeiten müssen. Heutzutage setzt man seinen Job nicht leichtfertig aufs Spiel, nicht mal in dem Alter und nicht für einen Mann. Okay, es ist nur ein Aushilfsjob, aber trotzdem.«
    »Drogen?«, fragte Hartmann.
    »Wolkenstein streitet das ab.« Groen zögerte. »Aber in dem Punkt glaube ich ihm nicht so recht. Sagen wir mal so: Ich schätze, es war nichts, was über einen gelegentlichen Joint hinausgegangen ist. Und ihre Arbeitgeberin will davon nichts hören. Sie hält sie für ernsthaft und zuverlässig und kann sich ihr Verschwinden absolut nicht erklären.«
    »Es gibt bestimmt eine Erklärung.« Hartmann wand sich. »Mir fällt bloß keine ein. Also nimm das wieder mit, wenn du gehst«, sagte er und versuchte, ihm die Meldung in die Hand zu drücken.
    Groen verschränkte die Arme. »Ist nicht, mein Lieber, es ist dein Fall, und der Boss hat das auch schon abgesegnet. Wirklich merkwürdig ist
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