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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland
Autoren: Beate Sommer
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ersten Tasse Kaffee, der ersten Kippe, während sie die Schlagzeilen der Zeitung überflog, war sie selten ansprechbar, jedenfalls nicht so, dass irgendjemand seine Freude daran gehabt hätte. Erst gegen elf etwa würde sie zu ihrer Normalform finden und vergessen, dass sie eigentlich keine Lust gehabt hatte, zu arbeiten.
    Sie hatte sich die Bettdecke förmlich wegreißen müssen, um aufzustehen, im Halbdämmer planlos im Bad hantiert und war schließlich vor dem Kleiderschrank gestrandet wie ein hilfloser Wal. Größe zweiundvierzig, zu der sie sich im Herbst endlich durchgerungen hatte, rechtfertigte den Vergleich nicht ganz, aber es war schon so, dass sie sich lieber an den spiegellosen Teil des Schrankes hielt und froh war, wenn das, was früher einmal irgendwie dezenter gewesen war, bedeckt war. Man ging einfach aus dem Leim, nahe der Fünfzig, auch ohne zuzunehmen.
    Anziehen, rief sie sich ins Gedächtnis, es war Viertel nach acht, wieder einmal verbummelte sie kostbare Zeit mit nutzlosen Überlegungen. Sie gähnte und entschied sich für Jeans, eine der alten, nicht ausgetauschten. Das war ihr von vornherein klar gewesen – Experimente wollten bei Tageslicht vorausgeplant sein.  Just a bit too tight , aber wenn sie sich nicht zu häufig bückte, würde es schon gehen, jedenfalls mit einem weiten Pullover darüber.
    Das Tempo steigernd, sprintete sie die Treppe hinunter und begann mit ihrem üblichen Rundgang, zog die Fensterläden hoch, schaltete Strahler und Außenbeleuchtung ein und fuhr die Computer hoch. Sie startete die Datenübernahme für den elektronischen Lieferschein und bearbeitete auch gleich den Wareneingang. Während der Drucker seine Arbeit tat, zerrte sie den Deckel von der ersten der Wannen, in denen die Bücher geliefert wurden, und starrte verwirrt auf das obere Buch. Das hatte sie bereits am Freitag bestellt und zuvor extra eine Lieferbarkeitsanfrage gemacht, weil die Kundin es unbedingt am Samstag gebraucht hatte. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass ausgerechnet ein Buch über Kleidung im Mittelalter zweimal bestellt worden war.
    Hektisch stellte sie die Bücher so auf, dass man die Beschriftung der Rücken lesen konnte, und bemerkte weitere schon am Freitag bestellte Titel. Ein Blick auf den Lieferschein zeigte, dass sie die Sendung für Samstag vor sich hatte. Irgendetwas war schiefgelaufen.
    Sie zog Stiefel und Mantel über und öffnete die Haustür. Keine Bücher. Wo war die Lieferung für heute? Ihr Radiowecker hatte von wetterbedingtem Verkehrschaos nichts gemeldet. Hatte Franziska Eising am Samstag vergessen, die Daten zu übertragen? Unwahrscheinlich, verwarf sie die Annahme, sie hatten einen Wecker, der einen daran erinnerte. Man musste ihn allerdings auch einschalten.
    Sie machte sich auf den Weg zum Bäcker, um sich die Zeitung, zu der sie heute vermutlich nicht kommen würde, und ihre tägliche Ration Frischluft zu holen. Es hatte kräftig angezogen über Nacht, aber wenigstens nicht geschneit, sodass ihr das Schneeschippen erspart blieb, und so schnappte sie sich, sobald sie zurückgekehrt war, den Eimer mit Streusplitt und verteilte die Steinchen großzügig auf Treppe und Gehweg, wissend, dass das Zeug am Abend ihren Staubsauger zum Bersten bringen würde. Keine Bücher. Wie auch.
    Ihren vorauseilenden Pessimismus dämpfend, stampfte sie sich den Schmutz von den Stiefeln und ging wieder hinein. Sie schmierte sich ein Brot, das sie im Stehen hinunterschlang, und machte sich einen Cappuccino. Ihr blieben noch sieben Minuten. Sie trank einen Schluck, als es klingelte. Die Postbotin, vermutete sie, montags war sie meist früh dran. Sie eilte zur Tür, vergaß augenblicklich die auf sie wartende Auseinandersetzung mit dem Chaos und nahm die Umschläge in Empfang.
    Dieses Herzklopfen beim ersten Durchblättern, obwohl ihr klar war, dass es für eine Reaktion auf ihre eingesandten Manuskripte noch viel zu früh war. Sie hatte das oft genug durchgemacht, schon mit ihrem ersten Roman, und jetzt waren es zwei. Ein Haufen Papier, fraglich, ob jemand Zeit dafür haben würde. Zwar bildete sie sich ein, dass ihr zweiter Roman einigermaßen originell war – eine Kundin hatte ihr eine haarsträubende Geschichte über Manuskript-Klau erzählt, in die sie als Anwältin verwickelt gewesen war, und die hatte sie verwendet –, aber wenn niemand sie zu lesen bereit war, half ihr das auch nichts.
    Nichts dabei, kein Umschlag war an sie persönlich adressiert. Sie schalt sich eine Närrin
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