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Spur ins Eis

Spur ins Eis

Titel: Spur ins Eis
Autoren: Blake Crouch
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»Na ja, hier.« Messing reichte ihm seine Visitenkarte. »Wenn sich etwas ergibt, können Sie mich jederzeit anrufen, auch nachts.«
    »Das mache ich.«
    Messing stand auf, und Will schüttelte ihm die Hand. »Sie kriegen wahrscheinlich ständig Besuch von irgendjemandem von der Polizei.«
    »Ja, es war eine anstrengende Zeit.«
    »Dann will ich Sie nicht länger aufhalten. Es freut mich, dass Sie Ihre Familie zurückhaben, Mr Innis.«
    Will brachte Messing zur Tür. Im Flur blieb er stehen.
    »Darf ich Sie etwas fragen ?«, sagte er zu dem Agenten.
    »Fragen Sie.«
    »Muss ich mir Sorgen machen ?«
    »Worüber ?«
    »Über einen Besuch mitten in der Nacht ?«
    Messing stieß einen leisen Seufzer aus und studierte den Teppich auf eine Weise, die Will nervös machte. Fast wünschte er sich, er hätte die Frage nicht gestellt.
    »Ich weiß nicht, Mr Innis. Es ist schwierig abzuschätzen, was die Alphas tun oder nicht tun werden. Es hängt davon ab, ob Sie auf ihrem Radarschirm sind.«
    »Glauben Sie, das bin ich ?«
    »Keine Ahnung. Mir ist klar, dass Sie das nicht tröstet, aber es ist leider die Wahrheit.«
    »Was würden Sie an meiner Stelle tun ?«
    Messing wiegte den Kopf. »Ich sage Ihnen was. Sie können nichts tun, außer mit Ihrer Familie in irgendein überbevölkertes Scheißnest in der Dritten Welt verschwinden und untertauchen. Wenn die Alphas zu Ihnen kommen wollen, halten Sie sie nicht auf. Nicht mit einem Gewehr unter dem Bett. Nicht mit einem neuen Namen. Sie sind einfach die übelsten Scheißkerle, von denen Sie jemals gehört haben. Also leben Sie Ihr Leben, Mr Innis. Blicken Sie nicht zurück, und kaufen Sie sich keine Alarmanlage oder so etwas. Beten Sie einfach nur, dass Sie ein Leuchtpunkt auf ihrem Radar waren, der schon lange wieder verschwunden ist.«

76
    Es war mittlerweile schon zwei Monate her, seit sie in Anchorage gelandet waren, Wochen, die ihnen wie Jahre vorgekommen waren. Fünf Wochen lang war Rachael in der Psychiatrie in Denver behandelt worden. Aber in den letzten Wochen vor Weihnachten waren sie zusammen gewesen im Farmhaus in Mancos, Colorado. Devlin war nicht krank, und Rachael war im achten Monat. Sie hatten eine Hebamme für die Hausgeburt engagiert, die irgendwann im Januar stattfinden würde. Will hatte sich mittlerweile mit der Tatsache abgefunden, dass das Kind in Rachaels riesigem Bauch nichts von seiner DNA hatte.
    Er dachte an Devlins Geburt vor sechzehn Jahren, konnte sich immer noch an den Blitz erinnern, der eingeschlagen hatte, als sie ihren ersten Schrei getan hatte – diese starke, unauslöschliche Liebe, die sein Leben verändert hatte. Was ihn in den langen Dezembernächten wach hielt, war die Angst, dass er nichts für das neue Baby empfinden würde, und er fragte sich, wie man ein Kind großzog, das nicht zu einem gehörte.
    Jede Nacht betete er zu Gott, dass der Blitz wieder einschlagen möge.
    Es war ein kühler, kalter Weihnachtsabend gewesen, und zur Freude der Innises war bis jetzt nur wenig Schnee im Mancos Valley gefallen. Die Gipfel der Mesa Verde und die La Platas schimmerten weiß im Sonnenschein, aber im Tal waren die Wiesen grün, und der Bach war zu einem Rinnsal ausgetrocknet. Auch unter den Schwarzfichten, die um das Haus herum standen, lag kein Schnee, noch nicht einmal im tiefen Schatten – Devlin hatte am Nachmittag nachgeschaut.
    Es ging ihr gut. Sie hatte Weihnachtsferien und wich ihrer Mutter nicht von der Seite – sie half ihr beim Kochen und Saubermachen und bereitete mit ihr das Kinderzimmer vor, das zu der Zeit, als sie mit ihrem Vater noch alleine im Haus gelebt hatte, leer gestanden hatte.
    Nur nachts dachte sie manchmal an Alaska, wenn sie in ihrem Bett lag und auf den Wind lauschte, der durch die Fichten ging. Vor ein paar Nächten war ein Rudel Kojoten über die Weiden am Haus gezogen. Ihr böses, spöttisches Gelächter hatte sie geweckt. Sie hatte sich im Bett aufgesetzt und eine Minute lang geglaubt, wieder in den Wolverine Hills zu sein und den großen weißen Wolf mit den bösen, roten Augen vor sich stehen zu sehen.
    Schließlich war sie aufgestanden, in die Küche gegangen und hatte sich ein Glas Wasser eingeschenkt. Dann hatte sie sich so lange an den Tisch gesetzt und dem Heulen der Kojoten gelauscht, bis ihre Hände nicht mehr zitterten.
    Eine von Rachaels Therapeutinnen in Denver hatte etwas gesagt, das auf sie alle zutraf. Wenn du der Angst Raum gewährst, wenn du dich von ihr in Besitz nehmen lässt, dann gehört
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