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Spur ins Eis

Spur ins Eis

Titel: Spur ins Eis
Autoren: Blake Crouch
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langen, anstrengenden Arbeitstag, dort eingeschlafen. Er sah ihre Gesichter im Schein des Nachtlichts bereits vor sich, als er die Tür zum Zimmer seiner Tochter erreichte.
    Sie war nur angelehnt, so wie er das Zimmer vor sieben Stunden verlassen hatte.
    Er schob die Tür auf. Rachael war nicht bei Devlin.
    Mit einem Schlag war Will hellwach. Er schloss die Tür zu Devlins Zimmer und eilte wieder ins Esszimmer.
    »Rachael ? Bist du da, Liebes ?«
    Er ging zur Haustür, schob den Riegel zurück und trat nach draußen.
    Dunkle Häuser. Licht an den Eingängen. Die Straßen noch nass von dem Gewitter, das vor einigen Stunden niedergegangen war. Kein Wind, der Himmel sternenklar.
    Als er sie in der Einfahrt sah, gaben seine Knie nach. Er ließ sich auf die Stufen sinken und versuchte, ans Atmen zu denken. Ein Beamer, kein Cherokee und zwei Streifenwagen, aus denen zwei uniformierte Beamte auf ihn zukamen, die Kappen unter die Arme geklemmt.
    Die Streifenpolizisten setzten sich auf die Couch im Wohnzimmer. Will ließ sich auf einem Sessel ihnen gegenüber nieder. Am vergangenen Wochenende hatten er und Rachael die Wände und die Gewölbedecke in einem Terrakotta-Ton gestrichen, und es roch noch stark nach Farbe. Die meisten der Schwarz-Weiß-Fotografien, die für gewöhnlich die Wände zierten, lehnten noch an der antiken Kommode und warteten darauf, wieder aufgehängt zu werden.
    Die Gesetzeshüter berichteten ihm sachlich und mit ruhiger Stimme, was passiert war. Sie wechselten sich ständig ab, als ob sie vorher geübt hätten, wer was sagen sollte.
    Viele Informationen gab es noch nicht. Rachaels Cherokee war auf dem Seitenstreifen der Arizona 85 in Organ Pipe Cactus National Monument gefunden worden. Der rechte Vorderreifen war platt. Jemand hatte einen Nagel hineingedrückt, damit der Reifen langsam und stetig Luft verlor. Das Fenster an der Beifahrerseite war eingeschlagen.
    Keine Rachael. Kein Blut.
    Sie stellten Will ein paar Fragen. Sie versuchten, mitfühlend zu reagieren und sagten ihm, wie leid es ihnen täte. Bill starrte zu Boden. Sein Brustkorb zog sich zusammen, als ob ihm langsam die Luft abgeschnürt würde.
    Irgendwann einmal blickte er auf, und da stand Devlin in der Diele, in einem rosa T-Shirt, das bis zum Boden reichte. Die zerschlissene Decke, mit der sie jede Nacht seit ihrer Geburt einschlief, hing über ihrem linken Arm. An ihrem Blick sah er, dass sie jedes Wort gehört hatte, das die Streifenpolizisten über ihre Mutter gesagt hatten. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

4
    Rachael Innis war mit Gurtbändern an den Ledersitz hinter dem Fahrer gefesselt. Sie starrte auf die Lichter am Armaturenbrett. Die Digitaluhr zeigte 4.32 Uhr an. Sie konnte sich nur noch an die Brechstange erinnern, die die Scheibe eingeschlagen hatte. Danach wusste sie nichts mehr.
    Aus der Bose-Stereoanlage ertönte Bachs Suite für vier Lauten mit John Williams an der klassischen Gitarre. Draußen zeigte sich bereits ein schwacher Lichtstreifen am Horizont, und obwohl sie in einem luxuriösen SUV saß, spürte sie deutlich die Schlaglöcher des primitiven Wegs, den sie entlangfuhren.
    Ihre Handgelenke und ihre Knöchel waren fest mit Nylonschnur umwickelt. Sie war nicht geknebelt. Von ihrem Platz aus konnte sie nur den Hinterkopf des Fahrers sehen, und gelegentlich zeichnete sich in der Glut seiner Zigarette sein Profil ab. Er war glatt rasiert, hatte dunkle Haare und roch unaufdringlich nach einem würzigen Rasierwasser.
    Kurz ging ihr durch den Kopf, dass er gar nicht wusste, dass sie wach war, aber sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als er sie auch schon im Rückspiegel musterte.
    Sie fuhren weiter. Nagetiere huschten über die Straße, und ein Gedanke quälte sie : Er wollte ihr etwas antun. Nur deshalb fuhr er so tief mit ihr in die Wüste hinein. Irgendwann würde er anhalten.
    »Hast du auf meinen Sitz uriniert ?« Sie meinte, einen ganz leichten Akzent zu hören.
    »Nein.«
    »Sag mir Bescheid, wenn du pinkeln musst. Dann halte ich an.«
    »Okay. Wo sind Sie …«
    »Halt den Mund. Du sagst nur etwas, wenn du pinkeln musst.«
    »Ich wollte nur …«
    »Soll ich dir den Mund zukleben ? Du hast eine Erkältung. Es würde dir schwerfallen, Luft zu holen.«
    Devlin war das Einzige, um das sie jemals gebetet hatte, und das war schon Jahre her, aber während sie jetzt auf die Büsche und Kakteen blickte, die an den getönten Scheiben vorbeizogen, flehte sie Gott erneut an.
    Jetzt wurde der
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