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Spur ins Eis

Spur ins Eis

Titel: Spur ins Eis
Autoren: Blake Crouch
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Escalade langsamer und hielt schließlich an. Er schaltete den Motor aus, stieg aus und schloss die Tür. Ihre Tür wurde geöffnet. Er stand da und sah sie an. Er sah sehr gut aus, mit makelloser brauner Haut (abgesehen von einer Kerbe auf dem Nasenrücken), leuchtend blauen Augen und schwarzen Haaren, die er mit Gel zurückgekämmt hatte. Seine schönen Zähne schimmerten in der Dunkelheit. Rachael holte tief Luft, sodass sich die Riemen um ihre Brust spannten.
    »Ganz ruhig, Rachael«, sagte er. Aus seinem Mund klang ihr Name wie ein fremdes Wort. Er holte eine Spritze aus seiner schwarzen Lederjacke und zog die Kappe von der Nadel.
    »Was ist das ?«, fragte sie.
    »Du hast schöne Venen.« Er beugte sich vor und ergriff ihren Arm. Als die Nadel eindrang, keuchte sie auf.
    »Bitte. Wenn dies eine Entführung ist …«
    »Nein, nein. Du gehörst mir schon. Im Moment gibt es für dich keinen sichereren Platz auf der Welt, als in meinem Besitz zu sein.«
    Ein Rudel Kojoten begann irgendwie draußen in der leeren Dunkelheit zu heulen. Es hörte sich an wie die Schreie einer Frau, die bei lebendigem Leib verbrannte. Auch Rachael begann zu schreien, bis die Droge von ihr Besitz ergriff.

5
    Nach vier Uhr nachmittags trudelten sie nacheinander ein. Gegen fünf war Rachaels Verschwinden der Aufmacher sämtlicher Nachrichtensender, sogar in Tucson und Phoenix. Und gegen sechs standen mehr Autos an der No-Water Lane als beim letzten Vierter-Juli-Barbecue der Hasslers.
    Um Viertel nach sieben abends hielten sich mehr als vierzig Personen in Wills und Rachaels bescheidenem, kleinem Lehmsteinhaus in Ajo, Arizona, auf. Sie saßen im Esszimmer, im Wohnzimmer, in der Küche, ja sogar auf der Terrasse. Es war eine seltsame Versammlung. Man hatte das Gefühl, sich auf einem Leichenschmaus zu befinden, es gab zu essen und zu trinken, Gespräche fanden im Flüsterton statt, niemand lachte. Will, der mit Devlin im Arm auf dem Sofa saß, dachte, dass all die, die er liebte, Freunde, die er seit Jahren nicht gesehen hatte, Nachbarn, mit denen er kaum ein Wort wechselte, dass all diese Leute gekommen waren, um mit ihm Wache zu halten. Sie warteten darauf, dass verkündet wurde, man habe sie gefunden, obwohl jeder wusste, dass normalerweise niemand, der so nahe an der Grenze verloren ging, lebend, wenn überhaupt jemals, gefunden wurde.
    »Will ?« Er erwachte aus seiner Erstarrung und blickte Rachaels Mutter an, die mit einem Glas Bourbon in der Hand an den eingebauten Bücherregalen stand.
    Debra sah ihrer Tochter sehr ähnlich, bis hin zu ihrer schlanken Figur und ihren schwarzen Haaren. Von Weitem hätte man sie für Schwestern halten können. Aus der Nähe betrachtet jedoch sah man die silbernen Strähnen und die ledrige Haut, die vom jahrzehntelangen Aufenthalt in der unbarmherzigen Wüstensonne kam.
    »Ich weiß nicht mehr, ob du Eis nimmst oder nicht«, sagte sie.
    »Doch, ich nehme Eis. Danke, das ist perfekt.« Sie reichte ihm seinen vierten Whiskey.
    »Kann ich sie nehmen ?« Debra wies auf ihre Enkelin, die in Wills Armen eingeschlafen war. Eigentlich hätte er es zugelassen, aber sie war vollgepumpt mit Valium und Wodka.
    »Sie muss mich spüren, Mom.« Sein Gesicht rötete sich, als er den Whiskey trank, und einen Moment lang malte er sich aus, dass er in seinem Bourbonrausch gar nicht mitbekommen hatte, dass Rachaels Beerdigung bereits stattgefunden hatte. Es waren Trauerreden gehalten worden, die Sargträger hatten ernste Gesichter gemacht, und Devlin war in Tränen ausgebrochen, als der Sarg mit ihrer Mutter hinuntergelassen worden war.
    Schwankend stand er auf und trug Devlin in ihr Zimmer. Sie war mittlerweile völlig erschöpft. Er allerdings auch. Er legte sie ins Bett, deckte sie zu und hockte sich auf den Fußboden, um ihr beim Schlafen zuzusehen. Bei jedem Atemzug schmerzte sein Brustkorb. Nach einer Weile stand er auf und ging in sein Schlafzimmer. In Rachaels und sein Schlafzimmer. Er verschloss und verriegelte die Tür hinter sich und öffnete die Truhe, die am Fußende ihres Bettes stand.
    Es lag ganz unten – ein verschlissenes Sweatshirt, das Rachael immer trug, wenn es kühler wurde. Es war marineblau, und vor Jahren hatte es den Schriftzug ihrer Universität getragen. Die weißen Buchstaben waren jedoch im Laufe der Zeit der Waschmaschine zum Opfer gefallen.
    Er drückte das Sweatshirt ans Gesicht und roch seine Frau.
    Auf seinem Weg zurück ins Esszimmer blieb er am Gästezimmer stehen. Hinter der Tür
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