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Spur ins Eis

Spur ins Eis

Titel: Spur ins Eis
Autoren: Blake Crouch
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Canyon vor zwei Jahren. Er war ein älterer, glatt rasierter Herr mit dichten weißen Haaren und klaren blauen Augen. Als er Will sah, stand er auf, knöpfte sein Jackett zu und lächelte ihn verhalten an.
    »Mr Innis«, sagte er, als sie einander die Hände schüttelten. »Detective Teddy Swicegood. Wenn ich mich nicht irre, haben sie mich vor Gericht ein paarmal im Kreuzverhör vernommen. Aber keine Sorge – ich nehme es Ihnen nicht übel. Es tut mir leid, dass ich unter diesen Umständen hier sein muss.«
    Er war mindestens einen Kopf größer als Will, und trotz seines Alters war sein Händedruck kräftig und seine Fgur schlank und durchtrainiert.
    »Haben Sie Neuigkeiten ?«, fragte Will.
    »Hier drin ist es ziemlich voll. Können wir irgendwo unter vier Augen miteinander sprechen ?«
    »Ja. Möchten Sie etwas zu trinken ?«
    »Einen Whiskey würde ich nicht ablehnen.«
    Will schenkte zwei Whiskeys ein und führte Swicegood durch die Glasschiebetür. Auf der Terrasse hielten sich sechs Personen auf, von denen Will die meisten nicht kannte. Sie saßen auf Stühlen, die sie sich aus der Küche geholt hatten, und aßen von Papptellern, als seien sie auf einer Sommerparty.
    Die beiden Männer gingen die Stufen hinunter und durch das Gras zu dem verwitterten Zaun, der die Gärten von Oasis Hills von der Wüste trennte.
    Will lehnte sich an den Zaun. »Sagen Sie es mir einfach. Reden Sie nicht um den heißen Brei herum«, sagte er.
    »Unsere Einsatzkräfte durchkämmen den Südwesten, und wir arbeiten auch mit den mexikanischen Behörden zusammen.«
    »Sie haben sie noch nicht gefunden ?«
    Swicegood schüttelte den Kopf.
    »Aber Sie glauben, sie ist noch am Leben ?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ihre Meinung ?«
    »Mr Innis, es ist einfach noch zu früh, um …«
    »Bitte. Sie brauchen mich nicht mit Glacé-Handschuhen anzufassen.«
    »Der Teil des Highways, auf dem sie verschwunden ist, ist eine üble Strecke. Drogenhandel, Menschenhandel. Es sieht nicht gut aus.«
    Die Worte trafen Will wie Säure. Eine neue Welle von Trauer, größer und schmerzhafter als die vorherige, überwältigte ihn. Stumm standen sie da, tranken ihren Bourbon und blickten über die Wüste nach Mexico, wo noch ein letzter schmaler Lichtstreifen am Horizont lag.
    Aber dann verschwand auch er, und auf einmal war der Himmel übersät mit funkelnden Sternen. Ein Kojote heulte. Ein großes Tier, wahrscheinlich ein Maultierhirsch, raschelte im Unterholz. Will dachte an Rachael, die irgendwo dort draußen war. Vielleicht lebte sie, vielleicht nicht – der Schmerz würde unweigerlich noch größer werden. Er lauerte bereits hinter den Dingen und wartete darauf, dass er am nächsten Morgen die Augen aufschlug und sich erneut diesem Albtraum stellte.
    Ein Streichholz flammte auf. Swicegood zündete sich eine Zigarette an und blies die Flamme aus. Mit Daumen und Zeigefinger erstickte er die Glut, bevor er das Streichholz zu Boden warf. Dann zog er an seiner Zigarette und blies einen dünnen Rauchfaden in die Wüste.
    »Ich habe mich gerade gefragt, Mr Innis, ob wohl jemand eine Zeit lang auf Ihre Tochter aufpassen könnte.« Will wandte sich zu dem Detective und blickte ihn fragend an. In seinem Kopf ging alles durcheinander, und es dauerte einen Moment, bis er begriff, was der Mann gesagt hatte.
    »Warum sollte jemand auf sie aufpassen ?«
    »Ich dachte, wir beide könnten auf die Polizeiwache fahren und uns ein bisschen unterhalten.«
    Die Luft prickelte auf einmal.
    »Worüber ?«
    »Ich warte in meinem Auto. Es steht hinter den Nachrichtenwagen mit den Satellitenschüsseln auf den Dächern. Gehen Sie hinein und kümmern Sie sich um die Betreuung Ihrer Tochter, und dann kommen Sie zu mir.«
    Will kippte den restlichen Whiskey herunter und stellte das Glas auf einen Zaunpfosten. Die Dunkelheit schien ihm entgegenzukommen. Schweiß trat ihm auf die Stirn, und er fröstelte.
    »Scheiße.« Er wandte sich taumelnd ab und erbrach sich auf den Rasen. Vornübergebeugt blieb er stehen und blickte zum Haus, auf all die Silhouetten, die sich wie Gespenster hinter den Fenstern bewegten. Um ihn herum war nur die dunkle Stille der Wüste. Er wischte sich über den Mund. »Meinen Sie das ernst ?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Muss ich einen Anwalt mitbringen ?«
    »Ich wüsste nicht, warum. Sie sollen mir nur ein paar Fragen beantworten, damit ich mir ein klareres Bild machen kann. Also, in fünf Minuten an meinem Auto.«

7
    Javier wollte Kaffee – starken, heißen
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