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Spritztour - Roman

Spritztour - Roman

Titel: Spritztour - Roman
Autoren: Andy Behrens
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Karte, seinen Lacai, die Wagenschlüssel und seine Brieftasche. Er legte den Schaumstoff-Donut dazu, für den Fall, dass er Montag früh direkt zur Arbeit fahren musste. Dann sprang er unter die Dusche, putzte sich die Zähne und zog sich ein unbedrucktes T-Shirt und Cargo-Shorts an.
    Seine digitale Uhr zeigte 9:56. Er raste zur Tür.
    Als er sie öffnete, kam Felicia Alpine bereits lächelnd die Auffahrt heraufgeschlendert. Sie umarmte Ian, noch bevor der ihren Namen hatte sagen können, und er war – obwohl er sich mitten in einem hektischen, quasi fluchtartigen Aufbruch befand – ausgesprochen froh, sie zu sehen. Eine Art Nach-Ferien-Glanz umgab ihre ansonsten vertraute Erscheinung. Ihr braunes Haar war in asymmetrischen Zöpfen zusammengebunden; sie trug verschlissene Jeans und dazu ein kleines, grellgrünes T-Shirt mit der Aufschrift JOLEYS EIERKUCHEN-LADEN, darunter das Bild eines verwirrt aussehenden Typen, der auf einem riesigen Stapel Eierkuchen stand. Felicia küsste Ian auf die Wangen, was ihn erschreckte.
    »Ich in Europa, Monsieur Lafferty. Da wir uns begrüßen so.«
    »Also dann, hallo.« Er lächelte und blickte über ihre Schulter hinweg. »Ähm, Lance … sag einfach hallo. Wir brauchen uns nicht zu küssen. Ich hoffe, das ist cool.«
    Lance stieg aus seinem winzigen Mazda und Ian sauste an ihm vorbei. Er öffnete den Kofferraum der Kreatur und warf seinen Rucksack sowie das Donut-Kostüm hinein.
    »Schön, dass du schon fertig bist. Als du gestern so rumgeeiert hast, dachte ich schon, du willst dich drücken.«
    Ian sagte nichts. Genau diese Situation hatte er vermeiden wollen. Er suchte verzweifelt nach einer plausiblen Ausrede, um den Lance-Super-Hammer schwänzen zu können, da packte ihn Felicia am Arm.
    »Hast du gestern Abend wirklich schon geschlafen, als ich angerufen habe? Das hat jedenfalls deine Mutter gesagt. Sie hat sich solche Sorgen gemacht, weil ihr Junge in die große, böse Stadt fährt …« Felicia kniff Ian in die Wange. »Aber ich habe ihr versprochen, dass wir auf dich aufpassen.«
    »Doch.« Er grinste. »Ich habe geschlafen. Ich weiß, ich bin ziemlich daneben. Bloß Arbeit und Videospiele. Manchmal ’ne Sitkom. Mit der Zeit kann einen das ganz schön fertigmachen.«
    »Mach dir keinen Kopf, Kumpel. Uns steht das ganze Wochenende bevor, da können wir alles nachholen. Ich habe viel zu erzählen.« Sie drückte seine Hand.
    »Genau«, sagte Ian und blickte zu Lance rüber. »Wegen dem Wochenende …« Er hielt inne, gelähmt von eisiger Verlegenheit. »Ich kann nicht. Ich muss …«
    Er blickte zu der Kreatur, die er im vergangenen Jahr Norma abgekauft hatte, der Zimmernachbarin seiner Oma im Altenheim.
    »Wegen meiner Oma. Der geht’s nicht gut. Überhaupt nicht. Richtig krank ist die. Meine Eltern sind schon bei ihr. Sie sind gestern Abend gefahren. Hab dann spät in der Nacht einen Anruf bekommen. Könnte ernst sein. Ich muss echt dahin.« Er merkte sofort, dass er zu schwafeln anfing, weil er nervös war. Konnte aber nichts dagegen machen. »Krank. Krank. Krank. Ist wichtig, dass ich hinfahre. Total wichtig.«
    Ian warf Felicia kurz einen Blick zu, dann schaute er zur Seite. Sie wirkte geknickt und durcheinander. In ihm zog sich alles zusammen. Das waren schließlich seine ältesten und besten Freunde. Er guckte noch einmal zu Lance hinüber.
    »Ehrlich. Ich kann echt nicht. Ich wünschte, ich könnte. Aber es geht nicht.«
    Er stieg hinter das Steuer der Kreatur.
    »Und du musst jetzt sofort los?«, fragte Felicia.
    »Ja, leider, ich bin schon spät dran. Ich melde mich am Montag.«
    Ian brauste die Auffahrt runter, wobei er sich total mies fühlte. Felicia und Lance standen im Vorgarten der Laffertys auf dem Rasen neben dem Rasensprenger und blickten sich fassungslos an.
    So schlimm dieser Moment auch gewesen war – seiner lieben armen Großmutter so eine Schwäche anzudichten –, viel schlimmer wäre es gewesen, die ganze Wahrheit über Danielle zu erzählen.
    Sobald er auf der Autobahn war, würde er sich voll und ganz auf den lebensverändernden Gewinn der vor ihm liegenden Reise konzentrieren können, da war sich Ian sicher. Aber erst musste er noch in eine Drogerie.

04 Ian parkte die Kreatur auf dem Parkplatz von Walgreens. Beim Betreten des Ladens dudelte eine elektronische Glocke. Er senkte den Kopf und hoffte, er könnte – nur für die Dauer dieses speziellen Einkaufs – vollkommen unsichtbar sein. Oder zumindest gut getarnt. Dabei hatte er das
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