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Spritztour - Roman

Spritztour - Roman

Titel: Spritztour - Roman
Autoren: Andy Behrens
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er, fuhr mit der Hand an den Kopf und hoffte, auf diese Weise den Eindruck zu vermitteln, er hätte was ganz Wichtiges vergessen, was sich überhaupt nicht in der Nähe der Apothekenabteilung befand. Er spürte den Schweiß auf seinem hageren Gesicht. Jetzt komm schon. Du bist bloß ein Typ, der hier einkauft, weiter nichts. Zack. Du suchst dir nur ein paar Sachen zusammen. Bleib cool. Hastig entfernte er sich von der Apothekenabteilung und eilte zur Kasse.
    Da merkte er, dass am Ende der langen Schlange vor der Kasse die beiden Kichermädchen standen und hinter dem Rücken ihrer Großmutter feixten. Ian nahm an, dass sie ihn – den Kondom-Knaben – bemerkt hatten und hinter vorgehaltener Hand flachsten. Er erstarrte. Er konnte sich unmöglich in eine bewegungslose Reihe direkt hinter die beiden Mädchen stellen, die sich offen über ihn lustig machten. Nein, er brauchte mehr Distanz zu den Kichermädchen. Er brauchte …
    »Verehrte Kunden, an der Kasse in der Apothekenabteilung brauchen Sie nicht zu warten«, sagte eine körperlose Stimme. »Bitte gehen Sie zur Kasse in der Apothekenabteilung, dort müssen Sie nicht warten.«
    O Mann! Soll ich bei der abnorm scharfen Apothekerin Kondome kaufen oder mich weiter von zwei bescheuerten Mittelstufenbräuten verspotten lassen?
    Einige Kunden verließen die Schlange und bewegten sich Richtung Apothekenabteilung. Die beiden Mädchen blieben jedoch wie Spielzeugpudel neben der alten Frau stehen. Ian überlegte kurz, dann marschierte er zurück zum anderen Ende des Ladens. Er wollte die Begegnung mit der attraktiven Apothekerin riskieren.
    Just als er an den Schwangerschaftstests vorbeikam, nahm er Augenkontakt mit ihr auf und sie grinste ihn wieder an. Ian erreichte die Apothekenkasse kurz vor der Meute ungeduldiger Kunden. Die Apothekerin – auf ihrem Namensschild stand BETSY – grinste noch breiter, als er seinen Korb auspackte. Ian nickte und erwiderte verlegen ihr Lächeln.
    Die Frau kicherte. Ian war entgeistert.
    Er legte die Dose mit den Kartoffelchips auf den Ladentisch, die langsam auf die Frau zurollte. Sie stoppte sie mit dem Zeigefinger.
    »Hey, du«, zwitscherte die Frau.
    Wa…? Macht die mich an? Mann, die ist Apothekerin. Also beinahe eine halbe Ärztin! Ich meine, wenn ich mit einer Apothekerin gehen würde – das wäre das Beste, was mir passieren könnte. Keine Frage. Aber mit mir flirten nicht mal Mädchen in meinem Alter. Und außerdem flirten Apothekerinnen nicht, die spielen Golf. Oder plaudern einfühlsam mit alten Leuten über deren Krankheiten. Flirten tun sie ganz sicher nicht. Also was zum Teufel geht hier vor?
    »Ähm … hallo«, entgegnete er. Die Apothekerin lachte wieder und beugte sich weiter zu ihm vor. Er knallte das Sixpack Mountain Dew auf den Ladentisch.
    »Du weißt nicht, wer ich bin, was?«
    »Sie sind, ähm … na ja, Sie sind eine freundliche Verkäuferin. Und bestimmt eine gute.«
    »Ian Lafferty, du Doofi. Ich lach mich tot.«
    »Doofi«? Niemand hat mich mehr Doofi genannt, seit …
    Sie nahm seine rechte Hand und sagte: »Ich bin’s, Betsy. Betsy McNaughton? Haaallo! Ich war deine Babysitterin, na, bestimmt sechs Jahre lang.« Sie lehnte sich über seinen Reiseproviant und umarmte ihn.
    In Ian wallte plötzlich ein Schwall totaler Vertrautheit auf, gefolgt von einem warmen Gefühl des Wiedersehens. Die brandheiße Apothekerin, die ihm am Hals hing, war wirklich die beste Babysitterin, die er als Kind gehabt hatte – aber da überkam ihn schon das blanke Entsetzen. Das war mit Sicherheit nicht die Person, bei der er seine Kondome kaufen wollte. Nein, ganz und gar nicht.
    »Na und? Wie geht’s dir, Ian?«, fragte sie und half ihm, seinen Korb auszuräumen. »Und wie geht’s deinen Eltern? Mein Gott, ich habe euch ja ewig nicht gesehen. Was machst du so? Ich bin Apothekerin geworden, wie du siehst, und du … Hm, du bist jetzt in der Zwölften, stimmt’s? Oder sogar schon auf dem College?«
    Er zuckte kaum wahrnehmbar die Achseln. Sie hielt inne, blickte ihn an und schüttelte sachte den Kopf.
    »Boah, Ian Lafferty!«
    Sie sagte seinen Namen, als wäre er eine beinahe vergessene Berühmtheit, die zufällig in ihrem Laden gelandet war. Wie »Boah! Corey Haim.«
    Das gibt’s doch nicht. Er klopfte auf den Stapel mit seinen Früchtetörtchen, hoffte, dass er die Kondome ausbuddeln und außer Sichtweite befördern konnte, bevor Betsy sie entdeckte.
    »He, Ian, erinnerst du dich daran, wie wir den Lafferty-Fünfkampf
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