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Spritztour - Roman

Spritztour - Roman

Titel: Spritztour - Roman
Autoren: Andy Behrens
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clever, braungebrannt und mit sprießendem Bartwuchs. Das war eigentlich nur als harmlose Täuschung gedacht. Einfach ein Internet-Flirt.
    Dann lud sie ihn zu sich ein.
    Erst reagierte er nicht. Sie flehte ihn an. Sie schrieb, dass sie bald ein Semester in Spanien studieren werde und ihn einfach treffen müsse . Er fand die Vorstellung, ihr zu begegnen, verlockend, sehr verlockend. Aber gleichzeitig regte sich sein Gewissen, weil er ein so falsches Bild von sich gegeben hatte. Er hatte nie erwartet, Danielle offline zu begegnen, im richtigen Leben, persönlich.
    Er schlug ihre Einladung aus, ignorierte ihr Flehen. Er behauptete, das könne doch nicht wirklich ihr Ernst sein. Danielle bestand darauf, es sei ihr ernst. Sie erklärte ihm in einer IM, es sei Zeit für ›den nexten Level‹ . Ian fand das erfrischend und gleichzeitig beängstigend. Er hatte keine Ahnung vom nächsten Level. Er legte sich nicht fest. Er nannte sie Quälgeist. Sie schrieb: Moi? Quälgeist? Hier kOHmmt was zum quÄHlen …
    Sie schickte ihm weitere Strandfotos. Für Ians Begriffe absolut umwerfende, brandheiße Strandfotos. Aber er blieb im Lance-Modus, teilte ihr mit, er werde nicht den ganzen Weg von Illinois nach South Carolina machen, »bloß um mit ihr essen zu gehen. Das kann ich auch mit Mädchen von hier tun.« Diese Bemerkung hatte zu der Mail geführt, die er gerade bekommen hatte, in der ihm versichert wurde, dass sie ihn nicht enttäuschen werde.
    Also musste er nach Charleston fahren. Dringend. Sozusagen morgen. Er würde Danielle mailen, um die Einzelheiten abzusprechen, aber nicht gleich – er zögerte seine Antworten oft absichtlich hinaus. Für einen unberührten Jungen wie ihn, der nie eine Freundin hatte, was schon für unglaublich viele Peinlichkeiten und Beschämungen gesorgt hatte – manchmal kam er sich sogar wie ein Freak vor –, war es überhaupt nicht leicht, sich cool zu geben, wenn ihm ein attraktives Mädchen Sex anbot. Aber dem Online-Alter-Ego, das er herangezüchtet hatte, ging das ziemlich locker von der Hand.
    Ian bog in die Sackgasse ein, in der er wohnte, fuhr an einer Reihe junger Bäume vorbei und dann auf die Auffahrt seiner Eltern. Er betrat das Haus durch die Garage, holte sich eine Flasche Yoo-hoo aus dem Kühlschrank und ging ins Wohnzimmer, wo sein Vater saß, die Füße auf einem Polsterhocker, den Kopf hinter der aufgeschlagenen Chicago Tribune .
    »Tag, Dad. Wo ist Mom?«
    »Im Fitness-Studio. Oder bei Costco. Oder vielleicht erst im Studio, dann im Kaufhaus.«
    »Und du bist schon zu Hause?«
    »Meine letzte Zahnreinigung hat abgesagt.«
    Sein Vater ließ die Zeitung sinken. Wie Ian war Larry Lafferty ein eckiger Typ mit dunklem, widerspenstigem Haar. Er blickte Ian äußerst ernst an, und Ian war sicher, er wusste, was gleich kommen würde.
    »Ich habe die Röntgenbilder gesehen, Ian.« Larry Lafferty schüttelte den Kopf. »Dein Termin gestern. Zwei Löcher. Meine Güte.« Er nahm die Zeitung hoch. »Wenn du nicht bald anfängst, regelmäßig Zahnseide zu benutzen und sich der Zustand deines Zahnfleisches nicht bessert, kannst du dir einen neuen Zahnarzt suchen, Ian. Mehr fällt mir dazu nicht ein.«
    »Okay, Dad. Mach ich.« Ian nahm einen kräftigen Schluck aus der Yoo-hoo-Flasche. »Ich meine, ich mach das mit der Zahnseide.«
    Nach einem längerem Schweigen sagte Ians Vater: »Deine Mutter und ich fahren morgen früh zu dem Kongress. Musst du arbeiten?«
    »Nö. Hab frei. Ich fahr doch mit Lance und Felicia in die Stadt.«
    Dass seine Eltern nach Las Vegas fuhren, zum Kongress der Nordamerikanischen Zahnarztvereinigung, fand Ian prickelnd. Sie würden trinken, zocken und alles lernen, was sie noch nicht über Backenzähne wussten, und das glücklicherweise in vollkommener Unkenntnis über den Aufenthaltsort ihres mit allen Wassern gewaschenen Sohnes, der gerade auf seine erste sexuelle Erfahrung zusteuerte.
    »Ach, richtig. Lance-irgendwas. Genau. Du solltest bei deiner Kreatur mal einen Ölwechsel machen lassen. Der letzte ist schon eine Weile her.« Er hielt inne. »Aber müsstest du nicht eigentlich arbeiten?«
    Ian blickte auf sein Donut-Kostüm hinunter und warf seinem Vater einen Was-willst-du-eigentlich-von- mir? -Blick zu. Sein Vater zuckte die Achseln.
    »Okay. Kann sein, dass dir vor Schulbeginn eine kleine Pause guttut. Deine Mutter hat dir fürs Wochenende ein paar Mahlzeiten zubereitet.« Er überlegte einen Moment. »Ich glaube, es sind sechs verschiedene Gerichte.
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