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Sprengkraft

Sprengkraft

Titel: Sprengkraft
Autoren: Horst Eckert
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ausdrückte.

    Parteipolitisch sei Still jedoch erst aktiv geworden, nachdem er sich bei der Neubesetzung eines Abteilungsleiterpostens übergangen gefühlt habe. Seitdem sei sein Hass auf die Vorgesetzten im Ministerium noch ausgeprägter als der auf Schwarze, Muslime und Liberale.

    »Aber er hat den Anbau der Moschee in Oberbilk in die Luft gesprengt, nicht das Hochhaus an der Haroldstraße«, wandte Paul ein.

    »Vielleicht auf Anweisung seiner Behörde?«, spekulierte Fatima.

    Tonia zuckte mit den Schultern. Ihr Blick traf Anna. Tränen standen in den Augen der Studentin. Da ist noch mehr, dachte Anna. Die Frau verschweigt uns etwas.

    Draußen war es längst dunkel geworden. Paul waren die Fragen ausgegangen. Anna spürte seine Unzufriedenheit.

    Fatima und Tonia hielten Händchen, als sie die beiden Ermittler an der Wohnungstür verabschiedeten. Paul bat beide Frauen für den morgigen Vormittag ins Landeskriminalamt, um ihre Aussagen protokollieren zu können.

    Tonia legte den Kopf schief. »Hat mein Vater den Bombenanschlag gestanden?«

    »Noch nicht«, antwortete Paul.

    »Was passiert, wenn er behauptet, er hätte das Handy verloren oder man hätte es ihm gestohlen? Wenn er angibt, jemand anderes hätte den Sprengsatz gezündet?«

    Oder Still schweigt weiterhin, dachte Anna. Es käme auf dasselbe heraus.

    Tonia hakte nach: »Es ist also noch gar nicht sicher, dass er im Gefängnis bleibt, stimmt’s?«

    »Morgen entscheidet ein Richter über die Untersuchungshaft, danach sehen wir weiter.«

    »Scheiße«, sagte Tonia und wandte sich ab.

     
    Wortlos fuhren sie zurück zum Landeskriminalamt. Die Digitalanzeige am Armaturenbrett des Alfa sprang auf einundzwanzig Uhr.

    »Und jetzt?«, fragte Paul, als sie den Parkplatz erreichten.

    »Ich bin hundemüde«, sagte Anna.

    Paul nickte.

    »Ich fand es übrigens super, wie du heute gedroht hast, an die Öffentlichkeit zu gehen«, fuhr Anna fort. »Ich glaube nicht, dass ich den Mut gehabe hätte.«

    »Doch, hättest du.«

    »Die beiden Studentinnen tun mir leid.«

    »Sie geben sich gegenseitig Halt. Das ist schon mal etwas. Hat nicht jeder.«

    »Was ist, wenn Norbert Still …«

    »Fang du nicht auch noch damit an. Die Vorstellung, dass jemand anderes mit Stills Handy die Bombe gezündet hätte, ist absurd.«

    »Aber ein guter Anwalt …«

    »Klar.«

    Sie schwiegen. Anna überlegte, wie sie reagieren sollte, wenn Paul ihr vorschlug, die Nacht bei ihm zu verbringen. Gleichzeitig wartete Jonas auf sie. Jeder Schritt bedeutete eine Entscheidung.

    Doch Paul fragte sie nicht.

    »Also dann«, sagte Anna und öffnete die Tür.

    »Warte.«

    »Ja?«

    »Sagst du mir, was das heißen soll, ich sei ein Sportwagentyp?«

    In Annas Tasche meldete sich Zanders Handy, das sie noch immer mit sich herumtrug.

    »In-A-Gadda-Da-Vida«, kommentierte Paul und zeigte sein Newman-Lächeln.

    Anna nahm das Gespräch an. »Ja, bitte?«

    »Spreche ich mit der Polizistin, die gerade bei Fatima war?« Eine zaghafte Stimme, fast ein Flüstern. Tonia Still.

    »Ja. Anna Winkler.«

    »Was gibt’s?«, fragte Paul.

    Anna winkte ab.

    »Können wir uns treffen?«, fragte die Studentin.

    »Gern.«

    »Aber Sie müssen mir versprechen, dass Fatima nichts davon erfährt. Okay?«

    Anna blickte Paul an und sagte: »Versprochen.«

67.

    Tonias aktuelle Wohnung befand sich an der Corneliusstraße, einem stark befahrenen Autobahnzubringer südlich des Zentrums. Um sich unterhalten zu können, durfte man die Fenster nicht öffnen.

    Tonia führte die beiden Kripoleute in das einzige Zimmer. Die typische Studentenbude: eine Tischplatte voller aufgeschlagener Fachbücher auf zwei Böcken. Eine Pinnwand mit Notizen. Bücher und Puppen im Ikea-Regal. Ein Schlafsofa, eine Kommode.

    Veller wusste sofort, dass er den Raum schon einmal gesehen hatte. Er wanderte umher, bis er die Perspektive aus dem Überwachungsfilm wiedererkannte. Dann drehte er sich um und musste nicht lange suchen: Die Kamera steckte im Kopf einer Holzpuppe, die zwischen zahlreichen Romanen im Regal saß – versteckt in der dunklen Höhle des lachenden Mundes.

    »Das Schwein hat meinen Kasper präpariert«, murmelte Tonia, nahm Veller die Marionette ab und fingerte nach der Kamera, bekam sie aber nicht zu packen. Wütend schmetterte Tonia die Figur auf das Linoleum. Sie stampfte auf den Kopf und hörte auch nicht auf, als er längst zertrümmert war.

    Anna berührte ihren Arm, um sie zu beruhigen. Tonia riss
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