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Sprengkraft

Sprengkraft

Titel: Sprengkraft
Autoren: Horst Eckert
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wusste das.

    Die Treppe knarrte. »Alles aus Holz hier«, stellte Rafi fest. »Wie das Haus in Mainz. Du hast von dem Feuer gehört?«

    »Klar. Ist garantiert von den Ungläubigen gelegt worden. Sie haben die Türken abgefackelt. Wie damals in Solingen und Mölln. Auf der ganzen Welt herrscht Krieg.«

    »Man sollte die Schweinefresser in die Luft jagen, inschallah. «

    Sie stellten den Heimtrainer ab. Rafi kratzte an seiner Narbe.

    »Bleibst du zum Tee?«, fragte Said.

    »Nein, danke.«

    »Wirklich nicht?«

    »Du musst zur Arbeit.«

    »Erst in einer Stunde.«

    »Dann okay, aber nur eine Tasse.«

    Said klingelte, bevor er die Tür aufschloss. Rafi wusste, dass sein Glaubensbruder das tat, um seiner Frau die Möglichkeit zu geben, sich in das Schlafzimmer zurückzuziehen. Miriam verließ die Wohnung fast nie. Und wenn, dann nur verhüllt und in Begleitung eines engen Familienangehörigen. Das Paar nahm die Vorschriften ernst. Fast immer war es Said, der die Einkäufe erledigte.

    »Bruder Rafi ist hier«, rief Said in Richtung Schlafzimmer, während sie im Flur die Schuhe auszogen. »Machst du uns Tee?«

    »Salamu alaikum« , tönte Miriams Stimme zurück.

    »Alaikum a salam« , antwortete Rafi.

    Sie trugen das Trimm-dich-Rad ins Wohnzimmer. Ein Freund, der zum Studieren nach Ägypten gegangen war, hatte es Said überlassen. Miriam wollte sich mit dem Gerät etwas Bewegung verschaffen.

    Rafi war zum ersten Mal in Saids neuer Wohnung. An der Wand ein gerahmtes Foto, das einen Koranvers in schöner Kalligrafie zeigte, darunter ein zerschlissenes Sofa, das aussah wie vom Sperrmüll. Es gab ein Sideboard, ein Regal mit Büchern auf Arabisch, Drucker, Kassettenrekorder und Fernseher – hoffnungslos antiquierte Modelle. Neu waren nur der Laptop von Aldi und der Satellitentuner, mit dem Said al-Aqsa-TV der Hamas aus Gaza oder den Sender der libanesischen Hisbollah empfangen konnte. Bezahlt von Spenden der Moscheegemeinde, wie Rafi wusste.

    »Warum hat dein Alter euch rausgeworfen?«, fragte er.

    Said setzte sich auf den Heimtrainer und trat probehalber in die Pedale. »Es war unser Entschluss.«

    »Ach.«

    »Miriam ist schwanger.«

    »Hast du mir erzählt. Und?«

    »Es ging nicht mehr. Zoff, weißt du?«

    »Weswegen?«

    »Mein Vater wollte mir vorschreiben, wie ich das Kind nennen soll.«

    »Typisch die Alten«, stellte Rafi fest. »Meiner ist noch viel schlimmer. Nicht bloß Marokkaner, sondern einer aus dem Rif, verstehst du? Mein Alter würde sogar Terror machen, wenn ich mit deiner Schwester ginge, bloß weil sie keine Berberin ist.«

    »Was haben wir vereinbart?«, fragte Said düster. »Du erwähnst meine Schwester nicht, sonst frage ich nach deiner.«

    Mit diesen Worten stieg er vom Fahrrad und ging in die Küche, um den Tee zu holen, den seine Frau inzwischen zubereitet hatte.

    Rafi wusste, warum Said sauer war. Halima kleidete sich wie eine deutsche Schlampe und kam abends nach Hause, wann sie wollte. Ihre Eltern gaben ihr Rückendeckung, aus Stolz auf die frisch gebackene Anwaltsgehilfin. Arabische Marokkaner aus der Großstadt waren manchmal so.

    Mit Rafis Schwester Fatima verhielt es sich jedoch weit schlimmer. Sie hatte ihrer Familie größte Schande bereitet, denn sie war ausgezogen und hatte sich eine eigene Wohnung genommen – als unverheiratete Frau. Fatima studierte, und obwohl die Eltern schon zwei Mal einen möglichen Ehemann für sie gefunden hatten, weigerte sie sich, solche Vorschläge auch nur in Erwägung zu ziehen. Rafi hatte vergeblich versucht, sie zurückzuholen. Zum Glück war sie in ein anderes Viertel gezogen. So wurde er nicht nach jedem Freitagsgebet auf das Verhalten seiner Schwester angesprochen.

    Rafi musste an Tasnim denken, wie er eine Berberin. Wieder klang in seinem Kopf ihr Gelächter. Sardinenverkäufer .

    Er wandte sich den Büchern auf Saids Sideboard zu. Ausnahmslos handelten sie vom Koran und der Sunna, dem Leben und den Lehren des Propheten.

    Im Ausgabefach von Saids Drucker lag ein Blatt, der Ausdruck einer Internetseite. Interessiert griff Rafi danach. Die Überschrift lautete: Unsere Brüder werden mit unserem Geld getötet.

    Said kam mit einem Tablett zurück und schenkte Tee in beide Tassen.

    »Was ist das?«, fragte Rafi.

    »Kannst du mitnehmen«, antwortete der Freund.

    Rafi bedankte sich, faltete das Blatt und steckte es ein. »Du legst dich also mit deinem Vater an?«

    »Klar, wenn es um die Gesetze Allahs geht. Mein Alter passt
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