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Sprengkraft

Sprengkraft

Titel: Sprengkraft
Autoren: Horst Eckert
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auf den Besucherstuhl. Dabei zwinkerte der Typ – Moritz konnte nicht erkennen, ob es Absicht oder ein nervöses Zucken war.

    »Nehmen Sie Platz, Herr Lemke. Tja, die Broschüren, die Sie für Brenneckes Agentur getextet haben, sind wirklich recht brauchbar.«

    Moritz bemühte sich um eine freundliche Miene und gedachte der Worte seines Kumpels Tom: Du bist Profi.

    Webers neuer Auftrag: Moritz sollte eine Rede verfassen, die Minister Andermatt in Bälde vor irgendwelchen Industriefritzen zu halten hatte. Weil zugleich der turnusmäßige Vorsitz der Innenministerkonferenz auf Andermatt fiel, habe die Pressestelle zu viel um die Ohren, um sich selbst um diese Rede kümmern zu können.

    »Wir brauchen human touch und emotional approach « , erklärte Weber. »Also nicht bloß die üblichen Floskeln. Unsere Haltung zu Jugendstrafrecht, Datenvorratsspeicherung und Online-Durchsuchung teilen diese Leute ohnehin. Sie wollen den Menschen Andermatt kennenlernen. Spüren, dass der Minister einer von ihnen ist. Ein durchsetzungsfähiger Entscheider und so weiter, wenn Sie wissen, was ich meine.«

    »Klar.«

    Weil Moritz nicht gefrühstückt hatte, griff er nach dem Keksteller, der den Besprechungstisch schmückte. Gleich darauf bereute er es – das Zeug war weich und schmeckte wie Pappe.

    Er mutmaßte, dass die Überlastung der Pressestelle nur eine Ausrede war. Andermatt haftete der Ruf als schlechter Redner an und wahrscheinlich machte der Minister seinem Pressesprecher Druck. Das konnte Moritz nur recht sein. Er brauchte den Auftrag.

    »Eine Rede ist natürlich etwas anderes als ein paar Broschüren«, fuhr Weber fort. »Aber Sie wurden mir als der richtige Mann empfohlen, und da will ich es gern mal mit Ihnen probieren.«

    Moritz nickte. Er würde Tom keine Schande bereiten.

    »Kommen wir zum Finanziellen«, sagte der Pressesprecher und zeigte wieder sein seltsames Zwinkern.

    Über das Honorar hatte sich Moritz bereits Gedanken gemacht. Fünfhundert Euro betrug sein Tagessatz. Er veranschlagte vier Tage und hatte sich vorgenommen, die Summe aufzurunden.

    »Dreitausend«, sagte er.

    Webers falsches Lächeln wurde breiter.

    Moritz fragte sich, welche Show der Mann da abzog.

    »Reden wir Klartext«, antwortete Weber und spielte mit seinem Edelkugelschreiber. »Als Leiter der Pressestelle bin ich bevollmächtigt, Beträge bis zehntausend Euro ohne Rücksprache abzuzeichnen. Also ist erheblich mehr für Sie drin. Sagen wir neun statt drei? Davon zahlen Sie mir zwei in bar als Provision zurück. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen und ein paar Extranüsse heben die Laune in diesen kalten Zeiten, nicht wahr, Herr Lemke?«

    Moritz schluckte. Weber wollte ihn zum Komplizen beim Griff in die Kasse machen. Hatte der Kerl noch alle Tassen im Schrank?

    Der Pressesprecher leckte seine Lippen. »Und ich kann mir gut vorstellen, dass wir zwei noch öfter zusammenarbeiten werden. Vorausgesetzt natürlich, dass die Rede gut ankommt.«

    »Danke für das großzügige Angebot«, sagte Moritz zögernd, »aber …«

    »Aber was?«

    »Dreitausend Euro genügen völlig.«

    »Bitte?« Sein Gegenüber bekam rote Flecken am Hals. »Verschwinden Sie sofort aus meinem Büro!« Er schnappte sich irgendwelche Unterlagen, tat beschäftigt und würdigte seinen Besucher keines Blicks mehr.

    Das war’s dann wohl, dachte Moritz und ging. Auch die Sekretärin ignorierte ihn, als er ihr Zimmer durchquerte.

4.

    Martin Zander steuerte den zivil lackierten Omega. Er hätte das Fahren an seine Kollegin delegieren können, Anna Winkler, eine Koryphäe der Tatortarbeit, wie es hieß, und gefühlte zwanzig Jahre jünger als er. Aber Zander war neu im KK 11 des Düsseldorfer Präsidiums, spielte ab und zu gern den Gentleman und wollte den Rest seines Berufslebens in Harmonie verbringen.

    Winkler/Zander, das neue Team für Leichensachen, an denen sich schon andere die Zähne ausgebissen hatten und die man nur deshalb hervorkramte, damit sie nicht als ›ungelöste Fälle‹ die Statistik versauten.

    Kommissariatsleiterin Ela Bach hatte ihnen den Mord an einem jungen Marokkaner zugeteilt, einem Drogendealer, dem vermutlich kein Mensch eine Träne nachweinte. Auf offener Straße erschossen. Keine Zeugen. Die Geschichte war schlappe achtzehn Monate alt.

    Seit Montag hatte Zander die Unterlagen gewälzt. Der Papierkram müffelte bereits, der typische Archivgeruch. Schreibtischarbeit im stillen Kämmerchen – in drei Jahrzehnten
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