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Sprengkraft

Sprengkraft

Titel: Sprengkraft
Autoren: Horst Eckert
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Polizeiarbeit hätte Zander sich nicht träumen lassen, einmal den Sesselfurzer zu spielen. Doch er hatte keine Wahl. Seine bisherige Dienstgruppe war wegen Unregelmäßigkeiten aufgelöst worden und an neuer Wirkungsstätte musste sich Zander erst einmal um eine bella figura bemühen.

    Er hätte darauf wetten können: Was seine Person anbelangte, war der neue Posten bloße Beschäftigungstherapie. So weit war es also gekommen.

    Aber vielleicht konnte er trotzdem etwas reißen. Der tote Dealer war ihm kein Unbekannter: Noureddine Diouri – zu Lebzeiten eine harte Nuss für Zanders damalige Truppe.

    Der Dienstwagen rollte über den Stresemannplatz, den eine Künstlerin bepflanzt hatte. Winterfeste Palmen in alten Reifen.

    »Du hättest hier abbiegen müssen«, protestierte Anna. »Der Fischladen liegt an der Eller Straße in Oberbilk.«

    »Ich zeig dir was.«

    »Muss das sein?«

    Über die Karlstraße zum Worringer Platz. Auch ihn hatte die Stadt umgestaltet, doch eine Wand aus grünen Glasbausteinen hatte das Flair der Trostlosigkeit nicht mildern können. Das schicke Düsseldorf fand woanders statt.

    »Bis zu seiner Ermordung beherrschte Noureddine den Markt hier im Bahnhofsviertel.«

    »Ich weiß, Padre. Du bist nicht der Einzige, der die Akten studiert hat.«

    Padre – Zander fragte sich, wo die Kollegin seinen alten Spitznamen aufgeschnappt hatte. Bestimmte Dinge wurde man offenbar nie los.

    Er erklärte: »Die Berber nennen es Bisnes . Für sie ist es ein normales Geschäft. Zu Hause im Rif-Gebirge leben sie von nichts anderem als Drogenschmuggel.«

    Anna seufzte und Zander verstand nicht, was sie hatte. Er schob ihre schlechte Stimmung auf den Zoff, den sie mit ihrem Freund hatte. Zumindest hatte sie neulich etwas in dieser Richtung angedeutet.

    »In diesen Straßen«, fuhr er fort, »setzte Noureddine seine Verkäufer ein. Kleine Kinder, unter vierzehn, also strafunmündig. Wenn wir sie schnappten, standen sie am nächsten Tag wieder hier. Sie waren mit Noureddine verwandt oder die kleinen Brüder seiner besten Freunde. Und die Sippe hielt dicht. Keiner packte über den anderen aus. Frech wie Oskar. Die Kids wussten, dass wir ihnen nichts anhaben konnten.« Zander wendete umständlich. »Noureddine war die Klammer, die alles zusammenhielt. Heute haben die Pigmentierten die Stelle der Marokkaner eingenommen.«

    »Wer?«

    »Die Pigmentierten. Deren Taktik ist eine andere. Sie tragen die Bubbles im Mund und verschlucken sie, sobald die Polizei zugreift.«

    »Die › Pigmentierten‹? «

    »Du weißt, wen ich meine.« Zander wies nach rechts, wo ein Afrikaner die Straße entlangschlenderte.

    Annas Stimme bekam einen schneidenden Unterton: »Kennst du diesen Mann?«

    »Nein.«

    »Du bist ein verdammter Rassist, Padre!«

    »Wieso das denn? Habe ich irgendeine Hautfarbe erwähnt? Hab ich etwa ›Neger‹ gesagt? Ich habe doch nur angedeutet, dass der Kerl … na ja, gewissermaßen … pigmentiert ist.«

    »Nur weil der Mann dunkelhäutig ist, muss er noch lange kein Dealer sein!«

    Jetzt seufzte Zander.

    Sie fuhren an dem Kerl vorbei. Zander verdrehte den Rückspiegel und behielt ihn im Blick. Seine neue Kollegin war vielleicht gut darin, am Schauplatz eines Verbrechens Fasern und Haare einzusammeln, aber wenn es um die Straße ging, hatte er ohne Frage den besseren Durchblick. Natürlich trug nicht jeder Farbige abgepackte Heroinportionen in der Fresse spazieren. Aber wenn einer scheinbar ziellos durch das Bahnhofsviertel schlich und sich ständig umsah, konnte Zander die Gehhilfe seiner alten Mutter darauf verwetten, dass der Mann ein Straßendealer auf der Suche nach Kundschaft war.

    Er überlegte, wie er sich Anna gegenüber ausdrücken sollte. Aber eigentlich konnte es ihm egal sein, selbst wenn die junge Kollegin alles brühwarm ihrer Chefin zutrug – Ela Bach kannte ihn ohnehin.

    Zander bog in die Kölner Straße und hielt vor einem Internetshop. »Hier war Noureddine Diouris Zentrale. Damals ein Café für Sportwetten. Noureddines Offiziere lungerten dort herum, die älteren Brüder der Straßenkids. Vermutlich ließ Noureddine den Stoff im Keller strecken und portionieren.«

    »Vermutlich«, wiederholte Anna.

    »Was willst du damit sagen?«

    »Der Rauschgift-Einsatztrupp hat sie gewähren lassen.«

    »Unsinn! Drei Mal haben wir eine Razzia gemacht, aber jedes Mal fanden wir nur ein leer geräumtes Kabuff. Man weiß bis heute nicht, wie Noureddine das hinbekommen
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