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Sprengkraft

Sprengkraft

Titel: Sprengkraft
Autoren: Horst Eckert
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Ruhe!«

    Anna war ausgestiegen und zeigte ihre Dienstmarke, um die Passantin zu beruhigen.

    Zander zog Latexhandschuhe aus der Tasche, streifte sie über und ließ den Kurden aufstehen.

    »Guten Tag, Hiwa. Lange nicht gesehen, was?«

    »Effendi?« Der Kerl erkannte ihn offenbar erst jetzt.

    »Dreh dich um. Du weißt ja, wie das geht.«

    Hiwa patschte seine Hände gegen das Schaufenster einer Änderungsschneiderei und spreizte die Beine. Die Frau, die drinnen an der Nähmaschine saß, blickte nur für einen Moment von ihrer Arbeit hoch.

    Zander tastete den Anzug ab. Weder Waffe noch Spritzbesteck. Vermutlich hatte der Kurde ein Versteck dafür. Zander fuhr in die Hosentaschen und förderte die frisch erworbene Portion Heroin zutage sowie mehrere klein gefaltete Euroscheine und einen Zettel mit Handynummern.

    Hiwa Kaplan war also tatsächlich ein Junkie geworden – das hätte Zander nicht erwartet.

    Er behielt Geld und Drogenpäckchen und gab dem Burschen einen Klaps. »Hau ab, Hiwa, bevor ich auf die Idee komme, dich festzunehmen und einen Bericht zu schreiben.«

    »Das kannst du nicht machen!«

    Zander trabte zurück zum Auto und stieg wieder ein. Der Kurde war stehen geblieben, rieb seine Arme warm und gaffte herüber.

    »Was ziehst du hier für ein Theater ab?«, wollte Anna wissen. »Du bist nicht mehr beim Rauschgift-Einsatztrupp!«

    »Wart’s ab.«

    Der Junkie starrte noch immer.

    »Glaubte diese Passantin von eben tatsächlich an einen rassistischen Überfall?«, fragte Zander.

    »Warum wohl?«, spottete Anna.

    »Mein Haarschnitt hat keine politischen Gründe, sondern rein genetische.«

    »Ich hab deine Spielchen langsam satt.«

    »Guck ihn dir an. Der Typ weiß etwas, wetten?«

    »Ich wette nicht. Schon gar nicht mit dir.«

    In diesem Moment wandte sich Hiwa um und schlenderte los.

    Wette verloren, dachte Zander. Er wollte bereits den Zündschlüssel drehen, da machte der Kurde kehrt, als sei der Groschen erst jetzt gefallen.

    Zander ließ das Seitenfenster herunterfahren, hob die Hand aus dem Fenster und rollte die Heroinportion zwischen Zeigefinger und Daumen.

    Der Kurde tapste auf das Auto zu und wollte sich das Päckchen greifen, doch Zander zog die Hand zurück.

    »Sag mal, Hiwa, was ist eigentlich los mit dir?«

    »Wie meinst du das?«

    »Ha!«, machte Zander und sagte zu Anna: »Seinen Sinn für Humor hat er nicht verloren.«

    Die Kollegin knabberte an einem Fingernagel und erwiderte nichts.

    Zander wandte sich an den Junkie. »Schon mal in den Spiegel geschaut in letzter Zeit?«

    »Was willst du, Effendi?«

    »Wer von euch kurdischen Helden hat Noureddine Diouri erschossen?«

    »Wen interessiert das nach so langer Zeit?«

    »Nach einem Jahr, sechs Monaten und zehn Tagen. Ich will das wissen und du nennst mir jetzt einen Namen.«

    »Von uns war es keiner, ehrlich.«

    »Verarsch mich nicht!«

    »Noureddine war ein Schlitzohr, aber die PKK wollte ihm noch eine Chance geben. Das heißt, wir mussten. Wir hatten sonst niemanden, der unseren Stoff absetzte.«

    »Ich glaub dir kein Wort.«

    »Ein Muslim lügt nicht. Allah verbietet uns das.«

    »Hör mir auf mit deinem Allah.«

    »Akif meint, es war eine Frauengeschichte.«

    Akif – die Nummer eins des hiesigen Kurdenclans.

    »Hört, hört«, sagte Zander. »Wo steckt Akif denn?«

    Hiwa lachte und ließ Goldkronen und unbehandelte, bräunliche Zahnstummel sehen. »Liest du keine Zeitung, Effendi? Ömer und Azad stehen im großen PKK-Prozess vor dem Landgericht …«

    »Da soll noch mal einer behaupten, die Polizei arbeite nicht effizient.«

    »… und wer nicht in U-Haft sitzt, hat sich in die Türkei abgesetzt. Akif lebt im Dorf seiner Familie.«

    »Wo im Sommer die Armee Jagd auf ihn macht und im Winter der Schnee drei Meter hoch liegt?«

    Der Kurde zuckte mit den Schultern.

    »Nur du läufst also noch frei herum«, sagte Zander.

    »Ich war nie Mitglied der PKK.«

    »Du meinst, die Kollegen vom Staatsschutz konnten es dir nicht nachweisen.«

    »Kommt das nicht aufs Gleiche raus?«

    »Was treibst du so?«

    »Reisebüro.«

    »Heroin als Ticket und Nirwana als Ziel.«

    »Nein, ehrlich.«

    Zander steckte dem Junkie ein Kärtchen zu. »Ruf mich an, wenn dir noch etwas zu Noureddine Diouri einfällt. Versprichst du mir das?«

    Der Kurde nickte.

    »Sag mal, eure Vornamen bedeuten doch meistens etwas.«

    »Ja, und?«

    »Was bedeutet Hiwa auf Deutsch?«

    »Hoffnung.«

    Zander blickte seine Kollegin an.
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