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Sprengkraft

Sprengkraft

Titel: Sprengkraft
Autoren: Horst Eckert
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spielen.«

    »Warum sagt er mir das nicht selbst?«

    »Sie kennen ihn doch.«

    Klar, dachte Veller, es ist ihm peinlich. Ein komplizierter Mensch, schon immer gewesen. Abweisend, wenn man seine Nähe suchte, beleidigt, wenn man es nicht tat.

    Veller versprach, den Brief so rasch wie möglich zu schreiben, und beendete das Telefonat.

    »Dein Vater?«, fragte Anna.

    »Ja.«

    Veller verharrte in Grübelei. Wie lange würde der alte Herr noch allein leben können, im Häuschen am Stadtrand von Detmold? Zwei Stunden einfache Fahrt bis dorthin – jeder Besuch ein Tagesausflug. Und Paps konnte anstrengend sein. In einem Heim würde er sich kaum integrieren. Gut, dass es Frau Windisch gab.

    Anna erzählte von ihrem ersten Besuch bei Fatima Diouri und vom Spürsinn des seligen Zander. Von einer Katze, die nicht existierte, und der jungen Frau, die sich im Nebenzimmer verborgen gehalten hatte, solange die Polizei in der Küche saß.

    Sie erreichten den Stoffeler Damm und stoppten vor einem rot geklinkerten Haus mit Blick auf die Kleingärten. In der obersten Wohnung brannte Licht. Anna öffnete die Fahrertür, doch Paul hielt sie zurück.

    »Es ist schon spät«, sagte er. »Du musst nicht mitgehen, wenn du nicht willst. Da vorn an der Ecke hält die Straßenbahn.«

    »Wie meinst du das?«

    »Nun, ich dachte, dein Freund sei endlich von seiner Dienstreise zurück und du willst vielleicht …«

    Er sprach den Satz nicht zu Ende, denn Anna stiefelte bereits auf die Haustür zu.

     
    Auf der Treppe zu Fatimas Wohnung fragte sich Anna, ob sie tatsächlich einen ironischen Unterton in Pauls Stimme vernommen hatte, als er Jonas erwähnt hatte – der Typ schien sich verdammt sicher zu sein.

    Sie dagegen war sich seit der Pubertät ihrer Gefühle nicht mehr so ungewiss gewesen – dass ihr das noch mit Mitte dreißig widerfahren würde, hätte sie nie gedacht und es ärgerte sie. Anna fürchtete, dass Paul nur spielte: Kolleginnen aufriss, um den Platzhirsch zu markieren und unter seinen Kumpels damit zu prahlen. Auf so einen Scheißkerl wäre sie dann hereingefallen.

    Ihr fiel eine Bemerkung Zanders ein. Sie wandte sich um und bemerkte spitz: »Man sagt, du seist ein Sportwagentyp.«

    »Was soll das jetzt bedeuten?«, spielte Paul den Ahnungslosen und klang amüsiert dabei.

    Anna erreichte das oberste Stockwerk und klingelte.

    Die Linse des Türspions verdunkelte sich, dann öffnete Fatima Diouri, ohne die Kette vorzulegen – offenbar hatte sie Anna erkannt.

    »Guten Abend«, grüßte sie knapp und kühl.

    »Beileid wegen Ihres Bruders«, sagte Anna.

    »Schon gut, was wollen Sie?« Die Medizinstudentin trug ein ähnliches Outfit wie neulich – in die Jeans, die ihr Gürtel tief auf der Hüfte hielt, hätte sie zweimal hineingepasst.

    Anna stellte ihren Kollegen vor und entfaltete den Ausdruck von Stills Überwachungsvideo. »Ich nehme an, Sie kennen diese Frau. Eine Mitstudentin?«

    »Was ist mit ihr?«

    Veller fragte: »Wer ist sie und wo finden wir sie?«

    »Bei mir«, sagte Fatima und hielt die Tür auf.

    Anna betrat die kleine Küche zuerst und stutzte. Die Frau aus dem Video saß am Tisch und starrte ihr entgegen. Langes Haar, große, helle Augen hinter einer Brille mit dünnem Metallrahmen. Sie hatte die Beine untergeschlagen, Wollsocken an den Füßen, die Hände hielten einen Kaffeebecher fest, als wolle sie sich daran wärmen. Die Radfahrerin, auf die Zander sie aufmerksam gemacht hatte – Anna hatte sich richtig erinnert.

    »Darf ich vorstellen?« Fatima wies auf ihre Freundin. »Tonia Still.«

    Anna war sprachlos.

    »Verwandt mit Norbert Still?«, fragte Paul.

    Tonia zog die Stirn kraus und fixierte weiterhin Anna. »Hat mein Vater Sie geschickt?«

    »Nein, wieso?«

    Die junge Frau sprang auf, sichtlich in Panik. »Sie lügen! Ich hab Sie gesehen. Sie haben mich observiert, zusammen mit einem älteren Glatzkopf. Sie gehören zu den Leuten meines Vaters!«

    Paul zückte seinen Dienstausweis. »Da liegt ein Irrtum vor, Frau Still. Wir arbeiten nicht für den Verfassungsschutz, sondern für das Landeskriminalamt. Mein Name ist Paul Veller und das ist meine Kollegin Anna Winkler von der Kripo Düsseldorf. Wir ermitteln wegen des Bombenanschlags vom Montag.«

    »Wegen des …?« Zögernd nahm Tonia wieder Platz. »Und was habe ich damit zu tun?«

    »Norbert Still ist also Ihr Vater?«

    Tonia warf Fatima einen Blick zu.

    Anna erklärte: »Er steht unter dringendem Tatverdacht. Es gibt
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