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Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Titel: Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
Autoren: Burkhard Schneeweiß , Theodor Hellbruegge
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entscheidend mit. Es ist daher wichtig, in jeder Stunde den spontanen Entwicklungen Raum zu geben: Dadurch kommt es zu Handlungen, die nicht geplantwaren, und dadurch kommt es innerhalb einer geplanten Handlung zu neuen, nicht geplanten, (sprachlichen) Inhalten. Die Erfahrung zeigt, dass sich in diesen Stunden wesentlich intensivere Kommunikationssituationen ergeben und die Therapie dadurch deutlich effektiver verläuft als in vorgeplanten Spieleinheiten. Oft ist es das Unfertige, das besonders zum Spielen und Sprechen anregt, wie z. B. gemeinsam etwas basteln, eine Eisenbahn aufbauen oder spontane Rollenspiele mit Figuren und Puppen. Entscheidend sind jedoch nicht die einzelnen Spiele, die vom Kind oder den Erwachsenen ausgewählt werden, sondern die Qualität der Interaktion im gemeinsamen Spiel.
    Wie können Eltern nach der Verunsicherung durch die Diagnose in ihrer Interaktion mit dem Kind nun konkret unterstützt werden? Die ressourcenorientierte Elternarbeit im
Natürlichen Hörgerichteten Ansatz (NHA)
nach Morag Clark bietet dazu ein bewährtes Konzept. Im Englischen sind die Bezeichnungen
The Natural Auditory Oral Approach
und
The Natural Aural Approach
gebräuchlich. Die Wurzeln dieser Form der Förderung hörgeschädigter Kinder reichen zurück bis in die 1960er Jahre, als erstmalig individuelle Hörgeräte für jedes Kind zur Verfügung standen. Morag Clark, eine der weltweit bekanntesten Vertreterinnen des NHA, betont, dass hörgeschädigte Kinder besondere Bedürfnisse haben, jedoch in erster Linie
mehr vom Normalen
brauchen (Clark 2009). Das heißt, dass alles, wodurch normal hörende Kinder in ihrer Kommunikations- und Sprachentwicklung unterstützt werden, auch für Kinder mit Hörstörungen die beste Förderung ist. Um dieses sprachfördernde Verhalten im täglichen Miteinander mehr anzubieten, müssen intuitive Interaktionsmuster bewusst gemacht werden.
    Jede Familie ist einzigartig und jede Bezugsperson hat ihre ganz persönliche Art zu kommunizieren. Wenn Eltern dazu angeleitet werden, das Verhalten von Therapeuten zu kopieren, können sie zusätzlich verunsichert werden und verhalten sich nicht mehr natürlich. Eine Elternarbeit, in der die Therapeutin in erster Linie als Modell fungiert, ist auf jeden Fall sehr kritisch zu sehen. Die Eltern sind daher in jeder Therapiestunde anwesend und die Therapeutin beobachtet in jeder Stunde neben der eigenen Arbeit mit dem Kind auch die Eltern-Kind-Interaktion im Spiel und bei Alltagstätigkeiten.
    Dieser Perspektivenwechsel ist notwendig, weil ausschließlich durch diese Beobachtung Informationen gewonnen werden können, die für eine kompetente Beratung notwendig sind (vgl. Batliner 2012):
Welche Kompetenzen und Handlungsstrukturen sind bereits vorhanden? Nur so können Ressourcen erkannt und verstärkt werden.
Welche ergänzenden Beratungspunkte sind notwendig? Nur so können individuell relevante Tipps gegeben werden.
Welche Fähigkeiten hat das Kind bereits erworben? Nur so können auch kleine Entwicklungsfortschritte aufgezeigt werden.
Was interessiert das Kind gerade? Nur so können ergänzende Tipps zu Spielen und Beschäftigungen gegeben werden.
    Die Beobachtung der Eltern-Kind-Interaktion und das Feedback durch die Therapeutin ermöglichen den Eltern nach der Verunsicherung durch die Diagnose
ihre intuitiven Handlungskompetenzen wahrzunehmen und dadurch bewusster und mehr einzusetzen: »Mehr vom Normalen«;
ihre intuitiven Handlungskompetenzen wahrzunehmen und dadurch ihre Kompetenz für die Erziehung und Förderung ihres hörgeschädigten Kindes zu erleben: »Ich kann es, ich habe Einfluss auf die Situation und bin ihr nicht ausgeliefert«;
die Fortschritte des Kindes zu sehen und richtig zu interpretieren.
    Das Feedback an die Eltern oder an andere Bezugspersonen muss zeitnah und so konkret wie möglich gegeben werden, damit es gut nachvollziehbar ist. Dazu gehört u. a., dass genau begründet wird, warum das Verhalten der Eltern für ihr Kind in seinem Stadium der Hör- und Sprachentwicklung positiv ist. Dazu ein Beispiel:
    Simon ist drei Monate alt. Seine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit wurde nach der Geburt diagnostiziert und er erhielt im Alter von 2 Monaten zunächst Hörgeräte (Ende des ersten Lebensjahres wurde er mit Cochlea-Implantaten versorgt). Er liegt auf dem Rücken auf einer Krabbeldecke und die Mutter unterhält sich mit ihm. Seine Gesprächsbeiträge sind Blickkontakte, Strampeln, Lächeln, Greifen nach dem Finger der
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