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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter
Autoren: R Ford
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brauchen wir alle. Und wenn ich in die gemauerte Welt dieser amerikanischen Städte hinausgehe, empfinde ich genau das. Jede Menge Möglichkeiten. Dinge, von denen ich keine Ahnung habe, die mir aber möglicherweise gefallen, sind hier und warten vielleicht auf mich. Selbst wenn sie’s nicht tun. Die Heiterkeit eines Neuankömmlings. Gutes Licht in einem Restaurant, das einen besonders befriedigt. Ein Taxifahrer, der eine interessante Lebensgeschichte zu erzählen hat. Die lässige, vibrierende Stimme einer Frau, die du nicht kennst, der du aber in einer Bar, in der du nie gewesen bist, zuhören kannst, zu einem Zeitpunkt, zu dem du sonst allein gewesen wärst. Diese Dinge warten auf dich. Und was könnte besser sein, geheimnisvoller? Was könnte eine größere Vorfreude rechtfertigen? Nichts. Gar nichts.
    Die Barium-Schwefel-Lampen am Tennisplatz der Deffeyes verlöschen. Delia Deffeyes geduldige und unbeschwerte Stimme, immer noch gedämpft, redet auf ihren Mann Caspar ein, während sie in ihrer gebügelten weißen Tenniskleidung auf das dunkle Haus zugehen, und sie versichert ihm mehrmals, er habe gut gespielt.
    Der Himmel ist zu einem milchigen Auge geworden, und obwohl es Frühling ist und Ostern vor der Tür steht, hat dieser Morgen etwas seltsam Winterliches, als verhülle ein hoher Nebel die Morgensterne. Vom Mond ist nichts zu sehen.
    Der Polizist hat endlich genug gesehen und rollt aus dem Friedhofstor hinaus auf die stillen Straßen. Ich höre eine Zeitung auf einen Gehweg klatschen. Weit weg höre ich den Vorortzug nach New York mit lautem Bimmeln in unseren Bahnhof einfahren – immer ein tröstliches Geräusch.
    X’ brauner Citation hält vor der blinkenden roten Ampel an der Constitution Street, gegenüber der neuen Bibliothek, und bewegt sich dann auf der Plum Road im Schrittempo, die Scheinwerfer aufgeblendet, den Friedhofszaun entlang. Das Reh ist verschwunden. Ich gehe ihr entgegen.
    X, die ich in Ann Arbor kennengelernt habe, ist ein altmodisches, bodenständiges Michigan-Mädchen aus Birmingham. Ihr Vater Henry war ein Soapy Williams-Liberaler der alten Schule und besitzt immer noch eine Fabrik, in der Gummimanschetten für eine gewaltige Maschine ausgestanzt werden, die ihrerseits Kotflügel für Autos ausstanzt; heute ist er allerdings Republikaner und so reich wie ein Pharao. Ihre Mutter Irma lebt in Mission Viejo, und die beiden sind geschieden; dessenungeachtet schreibt mir ihre Mutter regelmäßig, denn sie glaubt, X und ich würden uns eines Tages wieder versöhnen, was so möglich erscheint wie alles andere.
    X könnte, wenn sie wollte, wieder nach Michigan ziehen, eine Eigentumswohnung oder ein Landhaus kaufen oder sich auf dem Besitz ihres Vaters einrichten. Wir haben uns bei der Scheidung darüber unterhalten, und ich hatte keine Einwände. Aber ihr Stolz und ihre Unabhängigkeit lassen es nicht zu, daß sie jetzt ins elterliche Haus zurückkehrt. Außerdem hält sie viel von Familie und möchte, daß Paul und Clarissa in meiner Nähe sind, und ich bin glücklich bei der Vorstellung, daß es ihr gelungen ist, sich in ihrem neuen Leben einzurichten. Zuweilen werden wir erst dann richtig erwachsen, wenn wir einen einschneidenden Verlust erlitten haben, so daß unser Leben uns gewissermaßen einholt und wie eine Welle über uns hinwegspült und alles mit sich reißt.
    Nach unserer Scheidung hat sie sich in einer weniger teuren, aber aufstrebenden Wohngegend von Haddam, die von den Einheimischen The Presidents genannt wird, ein Haus gekauft und eine Stelle als Golflehrerin im Country Club Cranbury Hills angenommen. Sie war eine der Mannschaftsführerinnen der Lady Wolverines im College und hat in letzter Zeit an einigen offenen Turnieren in der Region teilgenommen, und nachdem sie ihre kurzen Schläge stark verbessert hat, konnte sie sich im letzten Sommer einige Male auf vorderen Rängen plazieren. Ich glaube, sie hat sich schon immer danach gesehnt, so etwas zu versuchen, und durch die Scheidung hat sie die Gelegenheit dazu bekommen.
    Wie hat unser Leben ausgesehen? Ich kann mich heute kaum noch daran erinnern, aber ich erinnere mich an die Zeitspanne, die dieses Leben gedauert hat. Und ich erinnere mich gern daran.
    Ich nehme an, unser Leben war das allgemein übliche, wie man so sagt. X war Hausfrau und brachte Kinder zur Welt, las Bücher, spielte Golf und hatte Freundinnen, während ich über Sport schrieb und in der Gegend herumfuhr, um meine Geschichten aufzulesen, heimkam, um
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