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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter
Autoren: R Ford
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knappe, vereiste Syntax: Benton Harbor wird da zu Binton Herbor, Grand Rapids zu Gren Repids. Es ist eine Stimme, die weiß, was als Minimum genügt, und die sich darauf verläßt. Im allgemeinen habe ich Frauen schon immer lieber reden hören als Männer.
    Tatsächlich frage ich mich, wie meine eigene Stimme klingt. Ist es eine überzeugende, die Wahrheit wiedergebende Stimme? Oder eine pseudo-aufrichtige, falsche Exehemann-Stimme, die Ärger heraufbeschwört? Ich habe eine Stimme, die wirklich mir gehört, eine ehrliche, irgendwie ländliche Stimme, mehr oder weniger wie ein Gebrauchtwagenverkäufer: eine ungekünstelte Stimme, die mit einer geradlinigen Anwendung der Tatsachen die schlichte Wahrheit aufzudecken hofft. Als Student habe ich diese Stimme eingeübt. »Na schön, okay, aber sieh mal die andere Seite«, sagte ich dann laut vor mich hin. »Schon gut, schon gut.« – »Klar, aber denk doch mal nach.« Es ist vor allem das, was meine Sportreporterstimme ausmacht, obwohl ich mittlerweile nicht mehr übe.
    X lehnt sich an den geschwungenen Marmorgrabstein eines Mannes namens Craig – in sicherer Entfernung von mir – und kneift die Lippen zusammen. Bis zu diesem Augenblick ist mir die Kälte nicht aufgefallen. Aber jetzt, da sie’s erwähnt hat, friere ich bis auf die Knochen und wollte, ich hätte einen Pullover angezogen.
    Diese Treffen vor Morgengrauen waren meine Idee, und rein theoretisch bieten sie zwei Leuten wie uns eine gute Gelegenheit, die noch verbleibende Vertrautheit miteinander zu teilen. In der Praxis sind sie so unangenehm wie eine Hinrichtung, und es ist durchaus vorstellbar, daß wir nächstes Jahr darauf verzichten, obschon es uns im letzten Jahr genauso ging. Es ist einfach, daß ich mich aufs Trauern nicht verstehe, und X auch nicht. Wir haben beide dafür weder die richtigen Worte noch das Naturell, und so neigen wir eher dazu, die Zeit zu verplaudern, was nicht immer klug ist.
    »Hat Paul von unserer Begegnung gestern abend erzählt?« frage ich. Paul, mein Sohn, ist zehn. Gestern abend hatte ich ein unerwartetes Zusammentreffen mit ihm, als er auf der dunklen Straße vor seinem Haus stand, während seine Mutter drin war und nicht wußte, daß ich draußen herumschlich. Wir unterhielten uns über Ralph und wo er jetzt sei und wie man ihn möglicherweise erreichen könne – was dazu führte, daß ich mich auf der Nachhausefahrt besser fühlte. X und ich sind uns prinzipiell darin einig, daß ich meine Besuche nicht heimlich machen solle, aber das war etwas anderes.
    »Er hat mir erzählt, Daddy sitze im Dunkeln im Auto und beobachte das Haus wie die Polizei.« Sie sieht mich merkwürdig an.
    »Es war einfach ein seltsamer Tag. Aber am Ende war alles wieder in Ordnung.« In Wirklichkeit war es viel mehr als nur ein seltsamer Tag.
    »Du hättest ins Haus kommen können. Du bist dort immer willkommen.«
    Ich zeige ihr ein gewinnendes Lächeln. »Beim nächsten Mal denk ich dran.« (Manchmal tun wir seltsame Dinge und sagen, es handle sich um Zufälle, obwohl ich sie glauben machen möchte, daß es ein Zufall war .)
    »Ich hab mich nur gefragt, ob irgend etwas los ist«, sagt X.
    »Nein, ich liebe ihn sehr.«
    »Gut«, sagt X und seufzt.
    Ich habe mit einer Stimme gesprochen, die mich befriedigt, einer Stimme, die wirklich mir gehört.
    X zieht eine Sandwichtüte aus ihrer Tasche, holt ein hartgekochtes Ei heraus, schält es und läßt die Schalen in die Tüte fallen. Wir haben uns eigentlich nicht viel zu sagen. Wir unterhalten uns mindestens zweimal in der Woche am Telefon, größtenteils über die Kinder, die mich nach der Schule besuchen, wenn X noch auf dem Golfplatz draußen zu tun hat. Gelegentlich begegne ich ihr zufällig beim Einkaufen oder beim Essen im August Inn ; dann setze ich mich an den Nebentisch, und wir plaudern ein wenig, Stuhllehne an Stuhllehne. Wir haben immer versucht, eine moderne getrennte Familie zu bleiben. Unser Treffen hier gilt nur dem Andenken an ein altes Leben, das wir verloren haben.
    Es ist trotzdem eine gute Gelegenheit für ein Gespräch. Letztes Jahr erzählte mir X zum Beispiel, sie würde, wenn sie noch einmal von vorn anfangen könnte, mit dem Heiraten wahrscheinlich warten und erst mal versuchen, die Turnierserie für Berufsgolferinnen in Angriff zu nehmen. Ihr Vater habe sich ihr schon 1966 als Sponsor angetragen, sagte sie – davon hatte sie mir noch nie erzählt. Sie erwähnte nicht, ob sie mich auch dann zu gegebener Zeit geheiratet
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