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Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Titel: Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
Autoren: Franziska Steinhauer
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cholerisch.
    »Was wissen Sie denn schon! Die letzten Jahre waren die Hölle! Für uns alle! Unsere Wohnung wurde geführt wie eine Pflegeeinrichtung. Urlaub war praktisch nicht mehr möglich. Wenn ich nach der Arbeit zu Hause war, musste ich ständig Rücksicht nehmen. Kein lautes Wort, keine Freunde zum Bier, kein Gejohle bei der Sportschau. Es war die Entscheidung meiner Frau, dem ein Ende zu setzen.«
    »Sie hätten sich um einen Platz in einem Pflegeheim bemühen können!« Entrüstet ließ Nachtigall seine schwere Faust auf den Tisch krachen. Tee schwappte rot wie Blut auf die Arbeitsfläche, ein paar Stifte kollerten zu Boden.
    »Ach ja? Das meinen Sie?«, höhnte Winter. »Sie haben gar keine Ahnung!«
    Und plötzlich lichtete sich der Nebel über dem Fall. Nachtigall sah klar.
    Frau Winter! Sie hatte es ihm – vielleicht aus Versehen – erzählt! Unbezähmbare Wut schäumte in ihm auf. »Sie durfte nicht! Es ging darum, Manuela von jeder Möglichkeit zum Gespräch fernzuhalten! Es gab nie eine Therapie.«
    »Wie denn auch?«, antwortete Winter lapidar. »Damit sie rumerzählt, dass sie ihr eigenes Baby umgebracht hat? Dass ihr Bruder den Roland Keiser in den Tod geschickt hat, von dem alle glaubten, er sei in den Westen abgehauen? So war es die beste Lösung. Sie war bei uns. Und es fehlte ihr ja an nichts«, behauptete der Vater kalt. »Wenn jemand diese Sache in den falschen Hals gekriegt hätte, wären wir womöglich noch dafür ins Gefängnis gewandert. Nee! Danke schön. So weit muss die Liebe der Eltern nun wirklich nicht gehen.«
     
    Betretene Blicke. Betroffene Wortlosigkeit.
    »Sie haben Ihre Tochter gehasst!«, stellte Nachtigall kühl fest.
    Winter hielt den Kopf gesenkt. Wich den Augen des Ermittlers aus, als habe er Angst, der Hauptkommissar könne dann direkt in sein Inneres sehen und dort den fürchterlichen wahren Kern entdecken.
    Langsam nickte er.
    »Ihr Sohn hat Roland Keiser erstochen. Das war die erste schwarze Perle auf einer Kette von Fehlentscheidungen!«
    Mangold warf Nachtigall einen ratlosen Blick zu, wagte aber nicht zu fragen, wie er das gemeint hatte.
    »Der Junge wollte das nicht. Er neigte zu Jähzorn. Und als Roland ihn nur auslachte, tja, da hat er eben zugestochen«, erzählte Winter mit falschem Zungenschlag. Er hatte keinerlei schauspielerisches Talent.
    »Sie lügen sich in die eigene Tasche! Und mir versuchen Sie die ganze Zeit den betroffenen Vater vorzuspielen. Damit ist jetzt Schluss. Legen Sie die Karten offen auf den Tisch! Mark hat das Messer nicht von sich aus eingesteckt. Wozu auch? Er hätte mit Sicherheit nie angenommen, er könnte etwas gegen Roland Keiser ausrichten, er wollte reden. Aber Sie haben ihn angestiftet! Ihm gezeigt, wohin er stechen musste. Haben Sie an einem Strohsack geübt?«
    Winter zögerte. Dann sagte er mit gehässiger Stimme: »Alles wissen Sie auch nicht! Ha! Der Junge konnte eine gehörige Kraft entwickeln, wenn er nur motiviert genug war.«
    »Sie haben Ihren Sohn zum vereinbarten Treffpunkt gefahren. Mark kam sich wahrscheinlich sehr erwachsen vor. Keiser, an den beiden Krücken wehrlos, ging nicht davon aus, dass ihm von einem Kind irgendeine Gefahr drohen könnte.«
    Winter grinste süffisant. »So in der Art.«
    »Der Job wurde perfekt erledigt!«, polterte der Cottbuser Hauptkommissar.
    Das Grinsen im Gesicht seines Gegenübers blieb unverändert. »Stimmt genau. Und ich will Ihnen mal was sagen, Sie superschlauer Polizist: Mein Sohn war stolz auf sich. Er war froh, auch einmal etwas für uns tun zu können. Und das war in Ordnung so!«
    »In Ordnung? In Ordnung so?« Nachtigalls Stimme bebte vor unterdrückter Wut.
    »Ja, seit seiner Geburt war er ein Problemkind. Nachts wimmerte und jammerte er vor Schmerzen, tagsüber flennte er. Eine einzige Zumutung. Ständig diese Arztbesuche. Wir wurden regelrecht examiniert, dem Kind Löcher in den Bauch gefragt. Sind deine Eltern gut zu dir? Darfst du essen, was du magst? Trösten sie dich, wenn du weinst? Und die Tabletten vergessen sie nicht? Unglaublich! Und nun kam seine Chance auf Wiedergutmachung.«
    »Sie haben ein Kind zu einem Mord genötigt. Einen Zwölfjährigen.« Nachtigall war fassungslos. »Und Sie halten das für eine zu rechtfertigende Form von Wiedergutmachung?«
    »Jetzt hören Sie aber auf mit der Dramatik! Es sollte nur einfach alles wieder ins Lot kommen. Wäre dieser Roland erst verschwunden, wäre es Manuela gelungen, sich von ihm zu lösen. Sie hätte schnell
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