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Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Titel: Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
Autoren: Franziska Steinhauer
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Tiefkühltruhe.«
    Gustav Winter lachte hysterisch, schrill. »Freunde von uns hatten früher eine Kneipe. Als sie ihren Ausreiseantrag stellten, bekamen wir die Truhe. Ich war gar nicht so begeistert von dem Riesending. Und in die Küche passte es auch nicht. Also stand es im Keller.« Als er sich beruhigt hatte, schob er nach: »Klappe zu, Affe tot! Alles gut!«
    »Aber so war es nicht«, half Nachtigall weiter.
    »Nein!« Winter bemühte sich, das Gelächter und Gekicher unter Kontrolle zu halten. Er konzentrierte sich wieder auf die Bewegungen an der Oberfläche des Tees. Ölige Flecken schwammen aufeinander zu, stießen zusammen, trennten sich. »Wahrscheinlich gibt es in der Familie meiner Frau eine erbliche geistige Schwäche. Manuela jedenfalls wurde schwer krank. Depression. Sie lag im Bett, sprach nicht, aß nicht, ging nicht einmal mehr zur Toilette. Ein Pflegefall.«
    Unerwartet laut und heftig stieß er dann hervor: »Und alles nur wegen des scheiß Fußballs!«
    »Und Mark?«
    »Mark war nie mehr fröhlich. Er hockte oft über Stunden an Manuelas Bett, redete auf sie ein und bekam nicht eine Reaktion. Den Mord an Roland erwähnte er nie. Aber in seinen Träumen beschäftigte er ihn.«
    »Mark ist vor ein paar Jahren gestorben.«
    »Beim Wandern. Er trat zu nah an einen Abgrund, um hinuntersehen zu können. Meine Frau hechtete noch los, erwischte ihn aber nicht mehr. Tragisch!«
    »Und Ihre Tochter?«
    »Manuela?« Winters Augen wurden rund.
    Nachtigall bemerkte sein Zögern. »Wie starb Manuela?«, bohrte er erbarmungslos nach.
    Winter wand sich auf dem Stuhl, als sei die Sitzfläche plötzlich unerträglich heiß.
    »Na los, Mann! Jetzt kann es ja kaum noch schlimmer kommen!«, polterte Mangold unfreundlich.
    Das war ein Irrtum, wie Nachtigall nur zu genau wusste. Alles konnte seiner Erfahrung nach schlimmer werden. Er ahnte auch schon den Grund für Winters Reaktion.
    »Nun, wenn Sie möchten, erzähle ich Ihnen, was passiert ist«, bot er an und der fahle Mann nickte müde.
     
    »Unverhofft flimmerten die neuen Idole der Mädchen über den Bildschirm. Frauenfußball! Für Ihre Frau waren das nur neue böse Seelenfänger. Verführer. Und besonders schlimm kam ihr vor, dass die, die es am besten wissen mussten, am drängendsten dafür warben. Sie beide setzten sich zusammen und zogen Bilanz. Der Frauenfußball war für all das Leid der vergangenen Jahre verantwortlich. Offiziell kein Wort über die finstere Seite der Medaille – nur Ruhm und Erfolg. Es musste etwas geschehen. Das widerliche Gesicht des Sports sollte sichtbar werden.«
    Winter schien zu schrumpfen. Seine faltigen Finger schoben sich zwischen die übergeschlagenen Oberschenkel, als müsse er sie dort einfangen.
    »Sie fassten einen weitreichenden Entschluss. Alle die, von denen Manuela im Stich gelassen wurde, mussten sterben. Natürlich würde die Polizei irgendwann den Zusammenhang erkennen, die Medien wären am grausamen Schicksal der Winters interessiert. Was wäre passiert, wenn wir es nicht rausgekriegt hätten?«
    Winters blasse Finger tasteten sich zur Gesäßtasche und zogen zitternd einen Briefumschlag hervor. »Sie hat alles aufgeschrieben«, hauchte er. »Sie wollte ein Zeichen setzen.«
    »Aha.«
    Nachtigall nahm den Brief und legte ihn ungeöffnet auf den Tisch.
    Mangold schüttelte verständnislos den Kopf. Ihm schien es klüger, das Geständnis sofort zu lesen und das Verhör zu beenden. Er wollte zu Irmchen und sah keinen Sinn darin, hier seine Zeit zu verplempern.
    Doch der Cottbuser Kollege wählte eine andere Taktik.
    Er fixierte die leblosen Augen Winters. »Sie hatten auch eine Aufgabe. Während Ihre Frau zur Arbeit ging, betraten Sie das Zimmer Ihrer Tochter. Erst standen Sie eine Weile an ihrem Bett – haben Sie ihr damals erklärt, was nun geschehen sollte? – dann drückten Sie ihr einen Kuss auf die Stirn und legten ein Kopfkissen auf Manuelas Gesicht. Danach verließen Sie zügig die Wohnung, um ein Alibi zu haben, falls unangenehme Fragen gestellt würden. Manuela starb so einsam, wie sie gelebt hat.«
    Winter heulte auf: »Sie hat sich nicht einmal gewehrt. Als ich mit meiner Frau nach Hause kam, lag sie friedlich unter dem weißen Ding. Offensichtlich gab es keinen Versuch ihrerseits, das Kissen fortzustoßen. Sie hat einfach nur da gelegen und auf den Tod gewartet.«
    »Sie haben Ihre Tochter ermordet! Ihnen war bewusst, dass sie zu krank war, um sich zu wehren!«, brüllte Mangold
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