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Spiel mit dem Feuer - Viehl, L: Spiel mit dem Feuer

Titel: Spiel mit dem Feuer - Viehl, L: Spiel mit dem Feuer
Autoren: Lynn Viehl
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er diesen Ort nicht mit dem verlassen hatte, was man ihm versprochen hatte. »Einen Gin Tonic, bitte.«
    »Gin Tonic, kommt sofort.« Stephen verließ den Raum, redete mit dem Barkeeper und verschwand dann im Chefbüro.
    Der Letzte, der das Maskers Tavern lebendig verließ, tat das ohne große Eile. Er ging durch eine Seitentür nach draußen, über die Straße und in ein kleines Hotel. Trotz der rasch rückwärts zählenden Ziffern auf seiner Uhr, die er auf Countdown gestellt hatte, wurde er nicht hektisch. Zwar hatte er seinen Job diesmal ein bisschen anders gemacht als sonst, aber er hatte vorher mehrere Praxistests durchgeführt. Er wusste auf die Sekunde genau, wie viel Zeit er noch hatte.
    Vier Minuten.
    Im Hotel durchquerte er die Eingangshalle, nickte der gähnenden Rezeptionistin zu und fuhr dann im Aufzug in den zweiten Stock, wo sein Zimmer lag. Dort angekommen, schob er den Riegel vor und zog sich das Jackett aus.
    Drei Minuten.
    Er blieb am Bett stehen, auf dem sein Fernglas und der säuberlich gefaltete Seidenschal lagen, und nahm beides an sich. Er schüttelte den Seidenschal aus, presste sein Gesicht in den zarten Stoff und atmete tief ein. Er hatte ihn der Frau, der er gehörte, vor einiger Zeit gestohlen, und der schwache Duft, der immer noch daran haftete, trieb ihm die Tränen in die Augen.
    Die Frau – seine Frau – duftete immer nach Flieder.
    Sie wäre sicher angewidert, wenn sie ihn jetzt sehen könnte, in diesem Zimmer. Die Klimaanlage recycelte ratternd die Luft und spuckte sie wieder aus wie ein nasskaltes Niesen. Den billigen Teppich zierte ein schrilles Paisleymuster in Rot, Grün und Gelb, während die Tagesdecke auf dem Bett ein stilisiertes Feuerwerk in Avocado, Gold und Blau zur Schau stellte. Im Bad, das etwa dieselbe Größe hatte wie der dürftige Kleiderschrank, hatte er einen verbeulten Eiskübel aus Plastik vorgefunden, in Zellophan eingewickelte Gläser mit einem leichten Schatten von Seifenrückständen und, um den Toilettensitz geschlungen, eine Papierbanderole, auf der Blitzblank für Ihr Wohlbefinden! stand.
    Er hätte sich auch niemals ein Zimmer in einer solchen Absteige genommen, wenn es nicht diesen einmaligen Blick aus dem Seitenfenster gehabt hätte. Mit dem Fernglas konnte er im Westen von St. Louis bis zur Canal Street und im Osten bis zur Pirate’s Alley sehen. Zu diesem Fenster ging er jetzt, klappte die beiden Fensterflügel auf und ließ die Nachtluft herein.
    Zwei Minuten, dreißig Sekunden.
    Was er im Maskers gemacht hatte, hatte der Mann schon viele Male zuvor getan. Er war sozusagen zu einem Experten auf diesem Gebiet geworden. Er war nie in der Nähe seines Werks geblieben, um sich das Ergebnis anzusehen, aber diesmal war die Situation eine ganz besondere.
    Diesmal war es etwas Persönliches.
    Es hatte ihn einiges gekostet: Geld, Zeit und nicht zuletzt Stolz. Manche würden sagen, dass er seine Zukunft aufs Spiel setzte, vielleicht sogar sein Leben, indem er sich über die sehr deutlichen Anweisungen bezüglich seines Jobs hinwegsetzte. Aber in seinem Metier kam man nur ganz nach oben, wenn man Risiken einging.
    Diese Nacht würde seine Unabhängigkeitserklärung und gleichzeitig seine Himmelfahrt sein.
    Die Nonnen, die ihn in der katholischen Schule unterrichtet hatten, würden seine Entscheidung zwar nicht billigen, aber sie hatten teilweise dazu beigetragen, ein brennendes Bedürfnis nach Selbstbestimmung in ihm zu wecken. Schwester Mary Thomas hatte ihn Bibelverse auswendig lernen lassen, wie den aus Levitikus, der schon seit Wochen in seinem Kopf nachklang: »Du sollst weder säen noch ernten, was von selbst wächst, und die Trauben, die ohne Arbeit wachsen, sollst du nicht lesen.«
    Zwei Minuten.
    Heute Nacht würde er seine Arbeit tun und sich um seine Zukunft, seinen Stolz und sein Schicksal kümmern. Heute Nacht würde er sich um Cortland Gamble kümmern.
    Er sah sich selbst nicht als verzweifelt an, sondern nur als gerecht. Nach dieser Nacht würde er sich nehmen, was ihm gehörte, was ihm schon immer zustand. Er würde Gamble, den Mann, der es gewagt hatte, ihm das wegzunehmen, dafür bestrafen. Seinen Rivalen umzubringen, war eine immer wiederkehrende Fantasie gewesen, aber Mord würde zu schnell gehen, wäre zu leicht. Gamble musste begreifen, was es bedeutete, im Angesicht eines unerreichbaren Herzenswunsches zu leben wie ein halb verhungerter Fuchs, der nach den Trauben eines unbeschnittenen Weinstocks lechzte.
    Gamble hatte versucht zu
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