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Spaziergang im Regen

Spaziergang im Regen

Titel: Spaziergang im Regen
Autoren: Alison Barnard
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nicht Stephanie. Sie will auch nicht Stephanie sein. Sie ist eine nette Frau, die eine gute Arbeit abliefern will. Vielleicht musst du mal mit einer Person leben, sei es auch nur freundschaftlich, die dich daran erinnert, dass Gesellschaft nicht immer mit einem hohen Preisschild verbunden ist.«
    »Ich will keine neuen Freundschaften.« Jessas letzter Einwand klang lahm, sogar für ihre eigenen Ohren.
    »Vielleicht ist das der beste Umstand, eine neue zu gewinnen«, entgegnete Lisa standhaft. »Jetzt muss ich aber los. Ich habe eine Besprechung mit einem Filmproduzenten. Er will für seinen Film das Stück benutzen, das du letzten Winter geschrieben hast. Das könnte sich zu einem richtig großen Projekt für dich entwickeln, und du hast da doch die Lücke nächstes Jahr, zwischen Buenos Aires und Toronto.«
    »Das nennt sich Urlaub«, erwiderte Jessa ironisch. »Du solltest das mal versuchen. Ich meine das ernst, weißt du.«
    »Was?« fragte Lisa unschuldig.
    »Alles. Du solltest weniger arbeiten; ich hätte gern nächstes Frühjahr frei, weil ich im Herbst für meine erste feste Stelle nach Kanada ziehe; und, das ist ganz wichtig, wenn sich herausstellt, dass deine Schauspielerin eine Nervensäge ist, oder dass sie mir irgendwie bei meiner Arbeit in die Quere kommt, dann schmeiße ich sie im hohen Bogen raus.«
    »Ist das alles?« Lisa hob fragend eine Augenbraue.
    »Nein, das ist noch nicht alles.« Jessa ging zu ihr hinüber und umarmte sie. »Danke. Ich weiß, dass du nur das Beste für mich willst, und du bist die einzige Person in meinem Leben, die das immer ehrlich gemeint hat.«
    Lisa drückte Jessa an sich. »Das ist sehr gern geschehen, Jessa«, sagte sie mit erstickter Stimme. Sie wusste, dass Jessa nicht bemerkt hatte, wie deutlich in ihrer Aussage Einsamkeit und Erfahrung mit Verrat mitgeschwungen hatten – in dieser Aussage einer erst Dreiunddreißigjährigen.

Kapitel 2
    S hara Quinn legte den Taktstock beiseite und bewegte ihre Schultern, um die verkrampften Muskeln zu lockern, während der zweite Satz von Beethovens Fünfter Symphonie ohne sie begann. André Previn leistete auch weiterhin ausgezeichnete Arbeit auf der CD, und die Royal Philharmoniker bemerkten ihre Abwesenheit nicht.
    Dieses Werk war nicht in Jessa Hansons Standardrepertoire, und Shara würde es sicher nicht im Film dirigieren müssen. Ein befreundeter Musiker hatte es ihr aber trotzdem als gute Übung empfohlen, da das Tempo durchgehend einfacher zu verfolgen war als in Holsts Planeten oder in einem der anderen Werke aus Jessas berühmten Aufnahmen. »Damit wirst du die Technik deiner rechten Hand so verbessern, dass du nicht mehr über das Tempo nachdenken musst und dich auf alles andere konzentrieren kannst«, hatte Julian ihr mit beruhigender Stimme versichert.
    Shara konnte nur daran denken, dass sich das, was sie sich als den spaßigen Teil des Unterfangens vorgestellt hatte – männliche Kleidung zu tragen und einen Taktstock zu schwingen –, als weitaus größere Herausforderung entpuppte, als meisterhafte Klavierdarbietungen zu imitieren. Sie spielte Klavier und konnte auch auf der Geige einfache Stücke bewältigen, ohne allzu viele Fehler zu machen, zumal sie mehrere Monate lang intensiv geübt hatte, um beim Vorsprechen für die Rolle einen Vorteil zu haben.
    Es war von vornherein klar, dass ihr Aussehen ihr eher dabei im Wege stehen würde, die Hauptrolle in Peter Garofolos neuem Film zu bekommen. Aber seit sie die Gerüchte gehört hatte, dass die Filmrechte zu Jessa Hansons Biographie vergeben worden waren, hatte sie Privatstunden genommen und damit begonnen, ihre Fähigkeiten auszubauen, weil sie noch nie zuvor eine Rolle dermaßen gewollt hatte.
    Sie bezweifelte, dass irgendeine Schauspielerin so wie Jessa Hanson acht Instrumente beherrschte. Sie selbst aber war sehr gut am Klavier und spielte recht leidlich Geige und Gitarre, und das wollte sie nutzen, so gut sie konnte.
    Sie hatte auch mit einer Sprachtrainerin daran gearbeitet, vorübergehend ihren irischen Akzent auszumerzen, der ihr damals zum Durchbruch in Hollywood verholfen hatte. Den Erfolg ihrer ersten großen Rolle und die Oskar-Nominierung hatte sie ihrer Glaubwürdigkeit zu verdanken, und nun hoffte sie, dass sie es mit Glaubwürdigkeit auf musikalischer Ebene wiederholen könnte.
    Sie seufzte und schaltete die Musik ab. Sie musste etwas gegen die Muskelverspannung tun, also zog sie sich Shorts, T-Shirt und Turnschuhe an und begann auf ihrem
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