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Spaghetti in flagranti

Spaghetti in flagranti

Titel: Spaghetti in flagranti
Autoren: Angela Troni
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von deinen Schwestern?«
    »Nein, leider nicht.« Ich hatte Mühe zu sprechen.
    »Wie geht es dir?«, fragte sie. »Du klingst furchtbar.«
    »Stell dir vor, dir geht es total mies. Verdopple dieses Gefühl und multipliziere es dann mit 78389273028370 287665. Wenn du jetzt noch den Scheißfaktor draufsetzt, weißt du ungefähr, wie ich mich gerade fühle«, sagte ich und fügte hinzu: »Reicht das?«
    Eine Viertelstunde später hatte Vale mich auf einen der gedrechselten Holzstühle in der Küche verfrachtet und war dabei, den stärksten Kaffee zu brauen, zu dem unsere Mokkakanne fähig war. Sie goss den kompletten Inhalt in eine Tasse, gab vier Löffel Zucker dazu und stellte das Gebräu vor mich hin.
    »Austrinken, und zwar ganz«, sagte sie nur.
    Ich wischte mir über die rotgeweinten Augen und gehorchte.
    Dann nahm sie mich in den Arm und wiegte mich wie ein kleines Kind. Sofort fing ich wieder an zu schluchzen, während sie mir über den Rücken streichelte, bis ich mich beruhigt hatte. Wir sprachen kein Wort und in der Stille war das Ticken der Küchenuhr so laut, dass es in den Ohren schmerzte.
    »Keine Sorge, die Carabinieri werden deine Schwestern finden … und diesen bayerischen Schwerverbrecher hinter Gitter bringen«, versuchte sie mich zu trösten.
    Ich nickte bloß.
    »Er wird seine gerechte Strafe bekommen, da bin ich mir sicher.« Vale ließ mich los und schob mich ein Stück von sich weg, um mir in die Augen schauen zu können. »Angela, mach dich nicht verrückt. Dich trifft keine Schuld. Wie hättest du denn ahnen sollen, dass sich hinter dieser Fassade ein solcher Unmensch verbirgt?«
    Bei dem Wort »Unmensch« musste ich gleich wieder losheulen und klammerte mich an meine Freundin wie ein Schiffbrüchiger an eine Planke. »Ahahaber ihihich … liehiehiiiieeeebe ihn doch.«
    »Ich weiß«, sagte sie und hielt mich nur noch fester.
    Es tat unglaublich gut, Vale wieder so nah zu sein. Seit unserer Aussprache und dem Liebesschnulzenabend fühlte ich mich ihr wieder genauso verbunden wie früher, vor meinem Auslandsjahr, als kein Blatt Papier zwischen uns gepasst hatte. Wie damals erzählten wir uns alles und konnten einander blind vertrauen. Das macht wahre Freundschaft so besonders.
    »Danke, dass du für mich da bist, obwohl ich in letzter Zeit manchmal ziemlich treulos war. Das tut mir leid«, schniefte ich und nahm dankbar das Taschentuch an, das sie mir hinhielt.
    »Kein Problem«, sagte Vale mit einem schiefen Grinsen, »für dich jederzeit.« Sie wartete, bis ich mir geräuschvoll die Nase geputzt hatte, dann fügte sie hinzu: »Komm, lass uns schwimmen gehen. Ein Bad im Meer wird dir guttun. Ich glaube, es hat hohe Wellen heute, da kannst du deinen ganzen Frust rauslassen.«
    »Gut!«, rief ich und sah auf die Uhr. »Meine Eltern und nonna müssten jeden Moment aus der Kirche zurückkommen. Dann können wir los.«
    »Super, wir müssten dann nur auf dem Weg zum Strand noch mal kurz bei mir vorbei, damit ich meine Sachen holen kann.«
    »Du bist wirklich die Beste«, sagte ich und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
    » Du bist die Beste«, erwiderte sie und fügte hinzu: »Ich gehe noch mal schnell bei euch auf Toilette, ja?«
    »Na klar!«
    Damit sprang ich auf, rannte in mein Zimmer und schlüpfte in meinen Bikini. Die Aussicht auf Ablenkung von dem ganzen Drama machte mich völlig euphorisch. Ich hatte gerade ein Handtuch und nonnas Spezialöl in die Badetasche gepackt und mir das geblümte Strandkleid mit dem Rüschensaum übergestreift, da klingelte es an der Tür. Im Gehen schlüpfte ich in meine Flipflops, stolperte zum Eingang und riss die Tür auf.
    Keine Ahnung, wen ich erwartet hatte. Den Briefträger vielleicht oder die Zeugen Jehovas oder meine Eltern, die mal wieder die Hausschlüssel vergessen hatten. Aber ganz bestimmt nicht die drei Personen, die jetzt vor mir standen und mich bis über alle sechs Ohren anstrahlten. Ich stieß einen derart spitzen Schrei aus, dass Vale mit offener Hose aus dem Bad angerannt kam. Im Flur hielt sie mitten in der Bewegung inne, und alle Farbe wich aus ihrem Gesicht.
    »Laura … Paola«, stammelte ich nur und fing prompt wieder an zu heulen. Diesmal allerdings vor Erleichterung.
    Ich nahm meine Schwestern in den Arm und drückte sie so fest ich nur konnte. Einer Skulptur von Rodin gleich standen wir da, unbeweglich, stumm, endlich wieder vereint. Wie lieb ich die beiden hatte. Wie schön sie waren. Wie vertraut sie rochen. Ich hatte sie so
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