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Spaghetti in flagranti

Spaghetti in flagranti

Titel: Spaghetti in flagranti
Autoren: Angela Troni
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erstelle ich eine Liste der Orte, an denen die Zwillinge sich oft aufgehalten haben. Die klappern wir nachher alle ab und hängen die Zettel dort aus. Am besten, ich gehe gleich rüber zu deinen Eltern und warte dort auf dich, dann verlieren wir keine kostbare Zeit.«
    Als ich zu Hause eintraf, saß Vale neben meiner Mutter auf dem Sofa und flößte ihr Tee ein. Mammas Aktionismus war völliger Lethargie gewichen, unterbrochen von hysterischem Schluchzen. Babbo war inzwischen mit zio Gaetano unterwegs, um die Mädchen zu suchen.
    Gemeinsam brachen wir auf und kehrten zwei Stunden später erschöpft zurück. Wir hatten mit so vielen Leuten gesprochen, doch niemand hatte etwas gesehen. Es war wie verhext. Zu Hause bei uns war mittlerweile ein ganzer Krisenstab versammelt. Jeder versuchte seinen Teil beizutragen, alle wuselten durcheinander und keiner wusste, was der andere tat. Aber immerhin hatten alle das Gefühl, Anteil zu nehmen und zu helfen. Die Carabinieri konnten bisher auch keinen Fahndungserfolg vorweisen, nur eine Täterbeschreibung, die wir sofort per Telefon an alle weitergegeben hatten. Mir gefiel das alles ganz und gar nicht. Der junge Mann, mit dem meine Schwestern angeblich mitgegangen waren, war laut Zeugenaussagen groß, dunkelhaarig, gut gebaut, um die dreißig und hatte eine grellgrüne Outdoorjacke um die Hüften getragen. Damit passte die Beschreibung zu neunzig Prozent auf Otto.
    Ich tat den Gedanken dennoch weiterhin als Unfug ab, bis Otto eintraf und selbst dafür sorgte, dass wir alle nicht mehr wussten, was wir glauben sollten.
    Ich war gerade mit Vale unten vorm Haus, weil sie rauchen wollte, als mein Vater und zio Gaetano um die Ecke bogen. Die beiden hatten ganz Riccione abgeklappert – ohne Ergebnis. Da mein Vater nicht sonderlich erpicht darauf war, mamma die schlechte Nachricht zu überbringen, und mein Onkel Vale nach einer Zigarette fragte, blieben sie bei uns stehen.
    Die beiden wandten sich gerade zum Gehen, da kam Otto mit dem Rad angefahren. Fröhlich winkte er uns schon von weitem zu. Als er etwa noch fünf Meter von uns entfernt war, fiel der Blick meines Vaters auf Ottos grellgrüne Jacke. Es dauerte einen Moment, bis sein Gehirn die Information seiner Augen verarbeitete, dann stürmte er mit geballten Fäusten auf meinen Freund zu.
    »Du elendiger Schweinehund, was hast du mit meinen Mädchen gemacht? Wo sind die Zwillinge? Wenn du ihnen auch nur ein Haar gekrümmt hast, werde ich dich bei lebendigem Leib in Stücke schneiden.« Er brüllte so laut, dass er vermutlich bis Rimini zu hören war. Im Laufen wandte er sich zu seinem Bruder um. »Gaetano, hilf mir und halt ihn fest, ich rufe die Polizei!«
    Mein Onkel war so überrumpelt, dass er einen Moment brauchte, um sich in Gang zu setzen. Den Moment nutzte der ebenfalls völlig überrumpelte Otto, um ohne eine Wort sein Rad zu wenden und zu verschwinden.
    Mein Vater rannte ihm erst nach, doch nach wenigen Schritten bekam er keine Luft mehr und blieb keuchend stehen. »Angela, ruf gefälligst die Polizei. Die müssen ihn schnappen.«
    Da ich mich weigerte, übernahm Vale es, die Carabinieri zu informieren. Natürlich gab sie ihnen Ottos vollen Namen und seine Adresse durch. Während sie noch telefonierte, brach ich auf der Straße heulend zusammen. Mamma und all die anderen, die den Tumult von oben beobachtet hatten, kamen aus dem Haus gelaufen und redeten durcheinander.
    Wie in Trance stand ich inmitten all der Menschen, die ich gar nicht richtig wahrnahm, gefangen in meinen Gedanken. Das konnte nicht sein. Otto hatte nichts damit zu tun. Nein! Aber wieso war er dann abgehauen? Beim letzten Mal hatte er sich meinem Vater auch entgegengestellt!! Was hatte das zu bedeuten? War er bloß feige? Oder hatte er tatsächlich etwas zu verbergen? Waren die Salmonellenvergiftung meiner nonna und babbos Autounfall doch keine Zufälle gewesen? Konnte ich mich derart in ihm getäuscht haben? Mein Gefühl sagte nein, die Fakten sagten ja.
    Ich wusste nicht, ob ich mir wünschen sollte, dass die Carabinieri ihn fanden, oder nicht.
    Auf einmal stand Gianmarco vor mir und nahm mich in den Arm. Ich konnte nicht sagen, wo er plötzlich hergekommen war, aber er war da, er war ruhig, er hielt mich fest. An seiner Brust weinte ich so lange, bis ich keine Tränen mehr hatte. Immer wieder streichelte er mir über den Rücken und redete beruhigend auf mich ein. Es tat so gut, seine Nähe zu spüren, seinen warmen Körper, der mir in all dem Chaos
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