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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld
Autoren: David Kessler
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hatte sich allmählich eine Beziehung zwischen ihnen entwickelt, wenn auch eine Fernbeziehung, was ihr Wachstum immer wieder hemmte. Sie lebte und arbeitete in Los Angeles, er in San Francisco.
    »In dein Loch würde ich auch mal gerne was versenken, Baby«, grölte der Prolet laut und schwankte zur Bar, um sich sein nächstes Bier zu holen.
    »Warum hältst du nicht einfach die Schnauze?«, fragte Alex und drehte sich zu ihm um.
    »Warum kommst du nicht einfach mit raus und regelst die Sache wie ein Mann?«, forderte ihn der Unruhestifter heraus.
    »Warum haltet ihr nicht beide die Schnauze?«, blaffte Martine. »Ich versuche mich zu konzentrieren.«
    Inzwischen hatte der Schiedsrichter die Hoffnung aufgegeben, dass sich die Situation ohne sein Eingreifen lösen würde. Er rief ein paar Rausschmeißer zu Hilfe, die den Proleten unsanft nach draußen beförderten.
    Martine wandte sich wieder dem Billardtisch zu, holte tief Luft, um sich zu sammeln, und lochte erst die schwarze und dann eine weitere rote Kugel ein. Nach einem spannenden Abtausch von Safety Shots war sie mit vier Punkten und acht Frames an den Tisch gekommen, während ihre Gegnerin einundsechzig Punkte und acht Frames auf der Tafel stehen hatte. Ihre Gegenspielerin, eine zierliche Blondine, hatte gerade bei einem verzwickten Snooker einen finalen Stoß über zwei Banden verschossen, was Martine noch einmal die Chance gab, das Match in diesem letzten Frame für sich zu entscheiden.
    Aber nur, wenn jeder einzelne Stoß sein Ziel traf.
    Sie blieb cool und versenkte noch eine schwarze und eine rote Kugel. Aber dieses Mal rollte die weiße Kugel in Richtung Baulk, so dass sie sich als Nächstes mit einer rosafarbenen statt einer schwarzen Kugel zufriedengeben musste. Sie wusste, dass sie sich jetzt keine Fehler mehr erlauben durfte. Nach der rosa Kugel musste sie die letzte rote einlochen und dann die schwarze angehen. Sie versenkte die rosa Kugel und hatte danach zu viel Abstand zur letzten roten. Die rote Kugel hätte sie dennoch problemlos einlochen können, aber wenn sie sie einfach in die Tasche rollen ließ, würde die weiße Kugel auf der falschen Seite der schwarzen zu liegen kommen. Sie musste die rote Kugel also mit viel Schwung über drei Banden spielen, um hinterher zurück zur schwarzen Kugel am unteren Ende des Tisches zu kommen. Und Schwung bedeutete, dass sie den Stoß mit tödlicher Präzision ausführen musste.
    Sie schoss mit Schwung … viel Schwung.
    Alex hielt die Luft an und betete.
    Unter den Jubelrufen des Publikums landete die Kugel in der Tasche. Und als Krönung blieb die weiße Kugel auch noch auf der perfekten Ausgangsposition liegen, um die schwarze Kugel ein letztes Mal einzulochen. Jetzt räumte Martine ab: gelb, grün, braun, blau, rosa und schwarz. Als der Frame endete, gab es donnernden Applaus. Sie hatte einen Anstoß von achtundfünfzig und gewann den Frame mit zweiundsechzig Punkten.
    Dem Publikum gefiel es, wenn ein Match bis zum Schluss spannend blieb, wie nervenaufreibend dies auch für die Spielerinnen sein mochte. Martine musste viele Autogramme geben, bevor sie endlich Gelegenheit hatte, mit Alex zu reden.
    »Du warst toll«, sagte er.
    »Tu mir einen Gefallen«, erwiderte sie. »Mach das nie wieder.«
    »Was habe ich denn …?«
    »Du weißt genau, was ich meine. Ich kann es wirklich nicht gebrauchen, dass du dich für mich prügelst. Du musst mir nichts beweisen.«
    »Aber er hat …«
    Sie brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen. »Lass uns einen Happen essen gehen«, schlug sie vor und griff nach seiner Hand.

Freitag, 5. Juni 2009 – 15.15 Uhr
    »Das Drogenproblem haben wir doch nur, weil der weiße Mann die Ghettos mit billigem Kokain überschwemmt hat!«, brüllte der militante Schwarze ins Mikrofon. »Und die Dinge haben sich immer noch nicht geändert, Bruder Elias, weil wir nach wie vor Onkel Toms wie Sie in unseren Reihen haben, die ihren Brüdern die Schuld an dem Leid geben, das uns der weiße Mann gebracht hat!«
    Das Publikum brach in lauten, spontanen Applaus aus, besonders die große Gruppe von Unterstützern, die der militante Schwarze mitgebracht hatte. Sein Gegenpart, ein weißer Rechtsradikaler, hatte Schwierigkeiten, sich vom anderen Ende des Studios über das zustimmende Gebrüll hinweg verständlich zu machen.
    Elias Claymore amüsierte sich großartig. Es waren leidenschaftliche Gäste wie diese, die für gute Einschaltquoten sorgten. Die Militanten brüllten sich ihre Wut von der
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