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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld
Autoren: David Kessler
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Verfahren zur DNA-Isolierung aus Sperma.«
    »Er hat aber ein Kondom benutzt.« Sie erinnerte sich, wie geschickt er sie mit seinem Körpergewicht fixiert hatte, um das Kondom überzustreifen, bevor er in sie eingedrungen war. So als wüsste er genau, was er tat – als wäre es nicht das erste Mal. Manche Männer sind Experten im Umgang mit BH-Verschlüssen. Dieser Mann war Experte in Sachen Vergewaltigung – und Experte darin, möglichst wenige Beweise zu hinterlassen.
    »Wir erwarten auch gar nicht, identifizierbares Sperma im Vaginalabstrich zu finden«, erklärte Bridget. »Aber nachprüfen müssen wir es trotzdem.«
    Bethel durchfuhr ein Schauer, aber sie sagte nichts. Sie hatte nicht erwartet, dass es so schlimm werden würde.
    »Sie haben ihn gekratzt, vergessen Sie das nicht«, fügte Bridget hinzu. »Deshalb enthalten die Fingernagelproben vielleicht Gewebe- oder sogar Blutspuren, durch die wir an seine DNA kommen. Es kann aber auch sein, dass wir Reste vom Kondom darin finden. Vielleicht hat er es in der Nähe weggeworfen.«
    »Na und?«, fragte Bethel verbittert. »Inwiefern hilft Ihnen das dabei, ihn zu erwischen?«
    Bridget holte tief Luft und erklärte dann geduldig: »Also gut, gehen wir mal davon aus, dass wir eine leere Kondompackung am Straßenrand in der Nähe des Tatorts finden. Wenn darauf Fingerabdrücke sind und er vorbestraft ist, können wir ihn identifizieren und einen Haftbefehl auf ihn ausstellen. Und angenommen er hat das Kondom wirklich weggeworfen, dann finden wir daran und in den Abstrichen, die wir von Ihnen genommen haben, vielleicht Beschichtungsflüssigkeiten – also Substanzen wie Gleitmittel, Spermizide oder Anti-Haftpulver – und können sie auf chemische Ähnlichkeiten mit Kondomen untersuchen, die wir im Besitz des Verdächtigen finden.«
    »Und was beweist das?«, fauchte Bethel verächtlich. »Dass er die gleiche Kondommarke benutzt?«
    Bridget legte tröstend eine Hand auf Bethels Schulter. »Beweise sind wie Puzzleteile, Bethel. Wenn wir genügend davon zusammensetzen, haben wir ihn, und wenn wir seine DNA anschließend mit DNA-Proben aus anderen Fällen abgleichen, kriegen wir ihn sogar für mehrfache Vergewaltigung dran. Und dann kannst du es dir als Verdienst anrechnen, ihm das Handwerk gelegt zu haben.«
    Bethel wusste, dass diese Schmeichelei reine Taktik war, aber sie erwärmte sich trotzdem für das Argument und nickte.
    Zwischen ihr und Bridget begann sich allmählich eine Bindung zu entwickeln, was ganz normal war: Von dem Moment an, in dem Bethel in die Polizeiwache getaumelt war, war Detective Bridget Riley ihr nicht mehr von der Seite gewichen.
    Bethel hatte sich zunächst dagegen gesträubt, die vielen Untersuchungen über sich ergehen zu lassen. Mehrmals hätte sie beinahe einen Rückzieher gemacht. Aber Bridget hatte sie zum Durchhalten überredet, indem sie darauf hingewiesen hatte, dass ihre Blutergüsse und inneren Verletzungen auf beträchtliche Krafteinwirkung seitens des Vergewaltigers hindeuteten.
    »Es besteht also so gut wie keine Gefahr, dass er einvernehmlichen Geschlechtsverkehr geltend macht«, versicherte Bridget ihr. »Bei Vergewaltigungen im Zuge einer Verabredung kommen Männer manchmal damit durch, aber bei Ihnen war es ja keine Verabredung. Wir müssten uns schon sehr dumm anstellen, damit er diese Ausrede anbringen kann. Und sobald wir den Täter identifiziert haben, kriegen wir ihn mithilfe der DNA dran, die wir hoffentlich aus den Abstrichen oder Nagelproben gewinnen.«
    »Aber dafür müssen Sie ihn erst mal finden«, sagte Bethel zögernd.
    »Wir gleichen seine DNA mit der landesweiten Gen-Datenbank NDIS ab, aber auch mit der kalifornischen DNA-Datenbank, die vielleicht etwas detaillierter ist.«
    Bethel lächelte nervös. Dann sagte sie etwas, das Bridget ziemlich seltsam vorkam: »Was ist, wenn seine Anwälte Sachen über mich ausgraben?«

Freitag, 5. Juni 2009 – 11.05 Uhr
    »Wie groß ist denn meine neue Abteilung?«, fragte Andi den hageren, bebrillten Herrn im hellgrauen Anzug, neben dem sie im Großraumbüro an den Schreibtischen entlangging.
    Weil es eine Verwechslung bezüglich ihres ersten Arbeitstags gegeben hatte, hatte sie den halben Vormittag in einem Zimmer gesessen und Broschüren und Online-Material über Levine und Webster gelesen, statt eingearbeitet und ihren neuen Kollegen vorgestellt zu werden. Der Personalchef war erst am Montag wieder im Haus, weshalb es Paul Sherman, einem der Kanzleipartner, überlassen
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