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Sozialstaats-Dämmerung (German Edition)

Sozialstaats-Dämmerung (German Edition)

Titel: Sozialstaats-Dämmerung (German Edition)
Autoren: Jürgen Borchert
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Kreditaufnahme verschont und dafür zum anderen sogar noch mit Zinsen belohnt werden, für die – drittens – nicht der ihrem Einkommen entsprechende progressive Tarif zu zahlen ist, sondern der einheitliche der Abgeltungssteuer von 25Prozent. Bezahlt werden diese Zinsen jedoch überwiegend aus den Steuern der »kleinen Leute«. Welche Summen diese Privilegierung und der staatliche Steuerverzicht erreicht haben, sieht man in Abbildung 6. Mit rund 2,1 Billionen Euro beträgt sie nämlich rund das Siebenfache des Bundeshaushalts 2013, der sich laut Haushaltsgesetz 2013 auf 302 Milliarden beläuft. Deutlich wird hieran auch, dass die Staatsverschuldung zusammen mit den übrigen Asymmetrien der Abgabenlast zu Lasten der »kleinen Leute« wesentlich zu dem unvorstellbaren Reichtumszuwachs an der Spitze der gesellschaftlichen Einkommens- und Vermögenspyramide beigetragen hat.
    Fehlende Besteuerung von Riesenvermögen sozialstaatswidrig
    Dass die Vermögen in Deutschland extrem ungleich und ungleicher als anderswo verteilt sind, haben die Armutsberichte der Bundesregierung, Studien der Bundesbank und Europäischen Zentralbank im Wesentlichen übereinstimmend ebenso bestätigt wie deren zunehmende vertikale Polarisierung. Sie resultiert vor allem aus den Verteilungseffekten unserer Steuer- und Sozialsysteme, in denen eine Umverteilung von unten nach oben stattfindet, die den Geboten des sozialen Rechtsstaats hohnspricht. Das Ergebnis ist eine Kumulation von Vermögen, die schlicht unvorstellbar ist. Damit bestätigen sich die Ahnungen » bedrohlicher Entwicklungen der Eigentumsverteilung «, die der Bundesverfassungsrichter Ernst Wolfgang Böckenförde in seiner abweichenden Meinung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 zur Vermögensteuer niederlegte und mit denen er die vom Sozialstaatsprinzip gebotene Notwendigkeit einer effektiven Vermögensbesteuerung begründete 97 – wörtlich weiter: » Dieser disproportionale Schutz der Vermögenden fällt überdies in eine Situation, die hierzu keinen Anlass gibt. Angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit und den großen Belastungen infolge der deutschen Vereinigung besteht ein Ausgleichsbedarf, wie ihn die Geschichte der Bundesrepublik bisher kaum je kannte. Es ist nicht einsichtig, dass angesichts dessen ein gemäßigter Zugriff auf bestehende Vermögensmassen verfassungsrechtlich tabu sein soll. Auch die derzeitige Vermögensverteilung in den alten Bundesländern ist kein Grund, solche Handlungsmöglichkeiten einem Gesetzgeber zu verweigern, der jedenfalls bisher dem Schutz des Vermögens hinreichend Rechnung getragen hat: Immerhin verfügten Ende 1993 5,5 v. H. der privaten Haushalte über 31,7 v. H. bzw. 18,4 v. H. der Haushalte über 60 v. H. des gesamten Nettogeldvermögens, wobei Haushalte mit einem Jahres-Nettoeinkommen von mehr als 420 000 DM – mangels Aussagebereitschaft der Betroffenen – in diesen Zahlen noch nicht berücksichtigt sind. Die Zahlen zum Grundvermögen liegen ähnlich. Auch nimmt diese Konzentration nicht ab, sondern tendenziell eher zu (Nachweise in: Wirtschaft und Statistik, 1985, S. 408 <418>; 1995, S. 391 <398 f.>; S. 488 <492 f.>). «
    Schon damals war also die Vermögenskonzentration mit dem Sozialstaatsprinzip unvereinbar. Angesichts ihrer krassen Steigerung in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten ist die Tatsache, dass bis heute keine effektive Vermögensbesteuerung stattfindet, schlicht unerträglich. Dies gilt umso mehr, als die Schieflage der Verteilung sozialer Verantwortung vornehmlich auf die Schultern der Arbeitnehmer aus berufener Quelle immer wieder moniert wurde.
    Im Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) für den Spiegel »Arbeit für viele« vom Juli 2002 wird die Entwicklung wie folgt beschrieben: » Betrachtet man die Entwicklung des deutschen Steuer- und Abgabenaufkommens seit den fünfziger Jahren …, so fällt auf, dass die gesamtwirtschaftliche Steuerquote (Steueraufkommen in Prozent des Bruttosozialprodukts) konstant verlief. Demgegenüber stieg die Belastung mit Sozialausgaben im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt (BSP) ständig an. Innerhalb des Steueraufkommens verringerte sich der Beitrag der Gewinn- und Kapitaleinkünfte deutlich, während die Lohnsteuer immer mehr Gewicht gewann. Ein Blick auf die Struktur des gesamten Aufkommens an Steuern und Sozialabgaben macht eine deutlich wachsende Belastung des Faktors Arbeit deutlich … Der deutsche Steuerstaat ist im
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