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Sozialstaats-Dämmerung (German Edition)

Sozialstaats-Dämmerung (German Edition)

Titel: Sozialstaats-Dämmerung (German Edition)
Autoren: Jürgen Borchert
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Beitragsbemessungsgrenzen und drittens des linear proportionalen Tarifs extrem regressiv und eines Sozialstaats nicht angemessen. Je höher die Einkommen, desto geringer wird ihre soziale Verantwortung. Abbildung 5 macht das sichtbar. Dabei hat die Politik die Sozialbeiträge vor allem im Zuge der

    Abbildung 5: Beitragssätze der gesetzlichen Sozialversicherung (nur Arbeitnehmeranteil, Deutschland 2011) 87
    Wiedervereinigung » wegen ihrer finanzpsychologischen Vorteilhaftigkeit « 88 gezielt und in großem Stil missbraucht, um die sonst zu erwartenden Abgabenwiderstände zu unterlaufen.
    Denn aus der Verwendung der Versicherungsterminologie resultiert eine systematische Täuschung der Abgabepflichtigen, weil es für die Beitragszahler ja so aussieht, als ob sie auf ihr eigenes Konto zahlten. Dass ein derart monströses System nicht längst vom Wähler (oder vom Bundesverfassungsgericht) kassiert wurde, dürfte auch noch einer weiteren massiven semantischen und optischen Täuschung zuzuschreiben sein. Sie entsteht durch den sogenannten »Arbeitgeberbeitrag«, der bei den Versicherten den Eindruck erweckt, als trüge der Arbeitgeber die Hälfte der Beitragslast. Das war aber nur bei und unmittelbar nach seiner Einführung im 19.Jahrhundert der Fall; danach ging er in die allgemeine Lohnkalkulation ein. Seitdem ist er nichts anderes als vorenthaltener Lohn und taucht auf dem Gehaltszettel nicht als solcher auf. 89
    Der ganz normale Wahnsinn: Abgabenquoten bei Normalverdienern über 50 Prozent
    Würde die Gehaltsabrechnung transparent erfolgen, müssten bei einem ledigen Arbeitnehmer mit einem Bruttogehalt von 2500 Euro im Monat deshalb neben den »Arbeitnehmerbeiträgen« für die Rentenversicherung (236,25 Euro), Krankenversicherung (205 Euro), Pflegeversicherung (31,88 Euro) und Arbeitslosenbeiträgen (37,50 Euro) – gesamt also 510,63 Euro – noch die »Arbeitgeberbeiträge« (182,50 Euro/236,25 Euro/ 25,63 Euro/37,50 Euro) in Höhe von 481,88 Euro ausgewiesen werden. Tatsächlich erarbeitet dieser Arbeitnehmer also nicht 2500 Euro brutto, sondern 2981,88 Euro. Die Sozialversicherungsbelastung liegt damit nicht bei (510,63 : 2500 =) 20,5 Prozent, sondern bei (992,51 : 2981,88 =) 33,3 Prozent. Zusammen mit der Lohnsteuer (333,75 Euro) und dem Solidaritätszuschlag (18,35 Euro) belaufen sich die Abgaben somit insgesamt auf 1344,61 Euro. Das sind bezogen auf das Gesamtbrutto einschließlich des »Arbeitgeberbeitrags« Abzüge von 45,1 Prozent. 90 Ausgezahlt werden netto 1637,27 Euro. Darauf lasten dann aber wiederum die diversen Verbrauchssteuern, die vor zwei Jahrzehnten einmal von der Arbeitsgruppe »Familien und Senioren« der Bundestagsfraktion der SPD mit 25 Prozent geschätzt wurden. Legt man der groben Schätzung sicherheitshalber nur die Hälfte zugrunde (12,5 Prozent x 1637,27 Euro), fallen somit noch weitere 204,66 Euro an Abgaben an. Nach dieser überaus vorsichtigen Schätzung liegen auf Arbeitseinkommen in diesem Einkommensbereich also bereits Abgabelasten von 52 Prozent.
    Legt man der Rechnung nach diesem Muster das steuerpflichtige Bruttoeinkommen in Höhe von 52 882 Euro im Jahr, also die Grenze des Spitzensteuersatzes von 42 Prozent, zugrunde (Monatseinkommen 4406,83 Euro), beträgt die Abgabenquote sogar 56,4 Prozent und liegt damit fast 10 Prozent höher als die nominelle »Reichensteuer« einschließlich Solidaritätszuschlag und sogar 20 Prozent über der effektiv festgesetzten Einkommensteuer für Milliardäre! Eine nähere Betrachtung der Steuerstatistik vermittelt nämlich weitere interessante Einsichten. So ist aus Tabelle 3 ersichtlich, dass der durchschnittliche Steuersatz der Ultraeinkommen – oberhalb von 1 Million Euro bis zu 5 Millionen und mehr pro Jahr – sogar sinkt, je höher die Einkommen sind: von 37,6 auf 36,4 Prozent (siehe vorletzte Spalte unten in der Tabelle).

Steuerpflichtige
Einkünfte in Milliarden Euro
Zu versteuerndes Einkommen in Milliarden Euro
Festgesetzte Einkommenssteuer
Absolut
%

Mrd. Euro
Satz %
Anteil %
15 000–25 000
4 954 802
18,8
99,38
78,24
6,94
8,9
57,9
25 000–50 000
9 327 010
35,4
332,86
283,41
43,45
15,3
50 000–100 000
4 748 417
18,0
318,58
277,38
61,29
22,1
100 000–250 000
1 071 598
4,1
149,39
131,11
40,30
30,7
32,6
250 000–500 000
129 439
0,5
43,16
39,39
14,21
36,1
500 000– 1 Million
35 178
0,1
23,57
21,87
8,2
37,5
1 Million – 2,5 Millionen
12 245
0
18,11
16,87
6,34
37,6
9,2
2,5 Millionen – 5 Millionen
2 807
0
9,54
8,95
3,28
36,6
5
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