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Sozialstaats-Dämmerung (German Edition)

Sozialstaats-Dämmerung (German Edition)

Titel: Sozialstaats-Dämmerung (German Edition)
Autoren: Jürgen Borchert
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lebensstandardsichernde Renten erhielten, je einen Pfennig an Beiträgen dafür gezahlt hatte. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Nicht ein Cent von den Beiträgen heute wandert in die Altersversorgung von morgen. »Die alten Konzeptionen sind inzwischen zu reinen Fiktionen geworden« , stellte Mackenroth schon 1952 fest. Die Rentenversicherungist dafür im Jahr 2013 immer noch das Paradebeispiel.
    22 Ausführlich zu diesem Thema Jürgen Borchert in Herwig Birg (Hg.): Auswirkungen der Demographischen Alterung und der Bevölkerungsschrumpfung auf Wirtschaft, Staat, Gesellschaft , Münster 2005, S. 37 ff.
    23 Als Nachdruck in Erik Boettcher (Hg.): Sozialpolitik und Sozialreform , Tübingen 1957, S. 43 ff.

Kapitel 4
    »Primitiv und brutal«: Ungerechter geht nicht – Das kleine Einmaleins der staatlichen Umverteilung
    Für eines ist der Spiegel -Bericht nach allem aber doch noch gut: Er ist der schlagende Beweis für die Intransparenz des ganzen Systems, aus der Fehlbeurteilungen und -entscheidungen zuhauf folgen. Die Forscher und ihnen folgend die Journalisten sind dem üblichen Kardinalfehler zum Opfer gefallen: dass man nämlich die Leistungsseite betrachtet, wo scheinbar das Geld hinfließt, statt zuerst zu fragen, wo und wie der Staat sich das Geld holt, das er so generös verteilt, und wie die jeweilige Abgabe den Adressaten des staatlichen Abgabenbefehls belastet.
    Eine Umverteilung, die so funktioniert, dass der Staat die Gelder, die er den Leuten aus der linken Tasche zieht, in die rechte wieder hineinsteckt, bringt kinderleicht optisch imponierende Volumina zustande, der vertikale Umverteilungseffekt oder die angebliche Begünstigung einer speziellen Adressatengruppe erweist sich jedoch meist als Nullsummenspiel. Tatsächlich treffen bei der überwältigenden Mehrheit der Haushalte negative und positive Transfers zusammen, und sie sind gleichzeitig Steuer- und Beitragszahler wie Leistungsempfänger. Es ist deshalb vollkommen unklar, wer hierzulande genau wie viel netto erhält, wie sich also das Geben und Nehmen in den Privathaushalten saldiert. Nur bei Ruheständlern weiß man, dass ihnen letztlich jeder Euro von der aktiven Nachwuchsgeneration überwiesen wird, auch jene übrigens, die dann wieder als Beiträge in die Krankenkasse wandern.
    Dieser durch und durch intransparente Zustand hat Tradition in Deutschland. Von Juli 1977 bis zum Jahresende 1980 hat die Transfer-Enquete-Kommission (TEK) sich mit diesen Fragen befasst und trotz eines riesigen Forschungsaufwands kaum Licht in den Transferdschungel bringen können; nur hinsichtlich der Rentner war das Ergebnis auch damals einigermaßen klar. 77 Der Verdacht, dass Umverteilung mit staatlichen Einnahmen erfolgt, die beim zahlenden Bürger genau die Probleme schaffen, nämlich Einkommensnöte, die dann mit staatlichen Transfers behoben werden müssen, wurde nicht ausgeräumt. Solange aber die Instrumente nicht zum Zweck passen, wirkt das staatliche Geben und Nehmen wie der sinnlose Versuch, Wasser mit einem Sieb umverteilen zu wollen. Deshalb kann eine Umverteilung von oben nach unten dann auch nicht gelingen, wenn dafür Staatseinnahmen (Revenue) eingesetzt werden, die zuvor die unteren Einkommen härter belastet haben als die höheren. Seit dem frustrierenden Ergebnis der TEK ist das Transfersystem aber nicht übersichtlicher geworden, im Gegenteil.
    Struktur der Staatseinnahmen
    Um sich im Transferdschungel zu orientieren, ist es deshalb nötig, sich einen Überblick über die staatlichen Einnahmen insgesamt zu machen und sich sodann über ihre Belastungswirkung Rechenschaft abzulegen. Tabelle 1 zeigt, dass in Deutschland die staatlichen Einnahmen insgesamt bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 44,5 Prozent ausmachten und sich im Einzelnen auf direkte Steuern (das sind 25,7 Prozent), indirekte Steuern (25,4 Prozent) sowie Sozialbeiträge (37,8 Prozent) verteilten. Als Kontrast bietet sich Dänemark an, wo kaum Sozialbeiträge anfallen und der Löwenanteil der Revenue aus der Einkommensteuer mit einem Spitzensteuersatz von 59 Prozent stammt. 78

2007
2011
In Prozent des nominalen BIP
In Prozent der staatlichen Einnahmen insgesamt
In Prozent des nominalen BIP
In Prozent der staatlichen Einnahmen insgesamt
Deutschland
Einnahmen insgesamt
43,7
100,0
44,5
100,0
Direkte Steuern
12,1
27,6
11,4
25,7
Indirekte Steuern
10,9
25,0
11,3
25,4
Sozialbeiträge
16,5
37,7
16,9
37,8
USA
Einnahmen insgesamt
34,1
100,0
31,6
100,0
Direkte
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