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Sozialdemokratische Zukunftsbilder

Sozialdemokratische Zukunftsbilder

Titel: Sozialdemokratische Zukunftsbilder
Autoren: Eugen Richter
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zum Ausgleich lieferten, sind in der letzten Zeit fast sämtlich als angeblich mangelhaft und nicht preiswürdig dort zurückgewiesen worden. Früher hätte man den Russen einfach die russischen Papiere oder deren Kupons, von denen damals in Deutschland genug vorhanden waren, in Zahlung geben können. Jetzt fehlen uns in Ermangelung von Wertpapieren und Edelmetallen Ausgleichsmittel solcher Art.
    Das wissen unsere beiden braven Nachbarn auch sehr wohl, und haben deshalb in ihren Noten durchblicken lassen, dass sie im Falle längeren Säumens in der Bezahlung der Schuld sich genötigt sehen würden, Teile von Posen und Ostpreußen sowie Elsass-Lothringen in Pfandbesitz zu nehmen. Beide Staaten erklärten sich bereit, eventuell in Verhandlungen zu treten über Erlass der Schulden, falls Deutschland geneigt sei, diese Landesteile endgültig abzutreten. Ist dies nicht eine beleidigende Frechheit sondergleichen?
    In Deutschland ist an ausgebildeten Mannschaften, Gewehren, Pulver und Blei kein Mangel. Alles dies ist von dem früheren Regiment reichlich hinterlassen worden. Aber leider mangelt es in Folge des Rückgangs der Produktion und der Folge der Aufzehrung der Vorräte auf den Eisenbahnen an Kohlen für die Militärtransporte, während die Festungen und Feldintendanturen über Mangel an Fleisch, Mehl und Hafer für den Unterhalt der Truppen klagen.
    Inzwischen haben die Franzosen das Großherzogtum Luxemburg annektiert. Dasselbe ist nach Auflösung des Zollvereins sozusagen ins Freie gefallen. Die Missstimmung über die Auflösung der alten Handelsbeziehungen zu Deutschland ist von einer Partei im Lande benutzt worden, um die Franzosen herbeizurufen. Dieselben sind auch alsbald über Longwy eingerückt. Französische Kavallerie ist schon an der luxemburgisch-deutschen Grenze vor Trier gesehen worden.

32. Massenstreik und Kriegsausbruch zugleich
    Alle Eisenarbeiter in Berlin und Umgegend streiken seit heute früh, nachdem ihre Forderungen der Gewährung des „vollen Arbeitsertrages“ abgewiesen worden sind. Die Regierung hat sofort verfügt, allen Eisenarbeitern die Mittagsmahlzeit und Abendmahlzeit zu sperren. In allen Staatsküchen sind die Beamten angewiesen, die Geldzertifikate der Eisenarbeiter zurückzuweisen. Dasselbe gilt von allen Restaurationen und Verkaufsläden, in welchen die Eisenarbeiter bestimmungsgemäß ihre Lebensmittel zu entnehmen haben. Die betreffenden Lokalitäten werden durch starke Abteilungen der Schutzmannschaft bewacht. Auf diese Weise hofft man die Streikenden in der kürzesten Frist auszuhungern, da diejenigen Brotkrumen und Speisereste, welche ihre Frauen und Freunde von der ihnen zustehenden Portion für sie erübrigen können, nicht lange ausreichen dürften.
    Es kommt dazu, dass seit heute früh für die gesamte Bevölkerung die Brotrationen auf die Hälfte herabgesetzt und die Fleischrationen gänzlich in Wegfall gebracht sind. Man hofft dadurch noch so viel zu erübrigen, um die Grenzfestungen noch einigermaßen verproviantieren zu können. Denn inzwischen hat die sogenannte Auspfändung Deutschlands schon begonnen. Französische Kavallerie ist aus dem Großherzogtum Luxemburg über die deutsche Grenze vorgedrungen, über die Mosel gesetzt und hat die Bahnlinien Trier-Diedenhofen und Trier-Saarlouis unterbrochen. Andere französische Heereskörper sind, gestützt aus Longyon, Conflans, Pont-à-Mousson, Nancy und Lüneville über die lothringische Grenze vorgedrungen, um Metz und Diedenhofen zu belagern und einen Vorstoß in der Richtung auf Mörchingen zu machen. Die beiden Festungen sollen mir auf höchstens 8 Tage mit Lebensmitteln versehen sein. Dasselbe gilt von Königsberg, Thorn und Graudenz, gegen welche russische Heeressäulen, gleichfalls um die Auspfändung vorzunehmen, in Anmarsch sind. Es scheint zunächst darauf abgesehen zu sein, Ostpreußen gleichzeitig im Osten und im Süden anzugreifen, um noch dessen Besetzung die östliche Angriffslinie gegen Deutschland zu verkürzen und daneben die Pferdeversorgung der deutschen Armee aus Ostpreußen zu verhindern. Die Landwehr und der Landsturm in Ostpreußen eilen an die Grenze. Aber leider stellt sich heraus, dass es für die Landwehr und den Landsturm vielfach an den notwendigsten Kleidungsstücken gebricht. Denn große Partien von Stiefeln und Unterkleidern sind nach der Umwälzung in Folge unzureichender Produktion zur Deckung des Bedarfs der Zivilbevölkerung verwendet worden.
    Doch es wird mir unmögliche diese
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