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Sozialdemokratische Zukunftsbilder

Sozialdemokratische Zukunftsbilder

Titel: Sozialdemokratische Zukunftsbilder
Autoren: Eugen Richter
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in Sicht
    Das neue Programm des Reichskanzlers zur Deckung des Milliardendefizits ist in Berlin fast überall nur mit Hohn und Spott aufgenommen worden. Was daraus weiter folgt, vermag Niemand abzusehen. Schon lange bestand eine besondere Gärung unter den Metallarbeitern, insbesondere auch unter den Maschinenbauern. Sie rühmen sich, bei der großen Umwälzung das Beste getan zu haben, und behaupten jetzt, um die Erfüllung der Versprechungen, weiche die Sozialdemokratie ihnen früher gemacht, schmählich geprellt zu sein. Man hat ihnen allerdings vor der großen Umwälzung stets „den vollen Ertrag ihrer Arbeit“ versprochen. Ausdrücklich und wiederholt, so sagen sie, hat dies Schwarz auf Weiß im „Vorwärts“ gestanden. Nun aber erhalten sie nur dieselben Arbeitslöhne wie alle andern.
    Wenn man den vollen Wert der aus ihren Werkstätten hervorgegangenen Fabrikate und Maschinen auf sie verteilte, nach Abzug der Kosten der Rohstoffe und Hilfsstoffe, so lagen sie, gebühre ihnen ein Vielfaches von dem, was sie jetzt erhalten.
    Vergebens hat der „Vorwärts“ ihnen ihre Auffassung als Missverständnis auszureden versucht. Die Sozialdemokratie hätte, so meint jetzt der „Vorwärts“, nicht den Arbeitern jedes einzelnen Berufs den vollen Ertrag ihrer besonderen Berufsarbeit versprochen, sondern nur der Gesamtheit aller Arbeiter den vollen Ertrag der Arbeit des ganzen Volkes. Was aus den Werkstätten der Metallarbeiter hervorgeht, entstehe doch nicht bloß durch Menschenarbeit, sondern auch durch Mitwirkung vieler kostspieligen Maschinen und Werkzeuge. Große Gebäude und Betriebsmittel sind dazu erforderlich. Alles dies ist doch nicht durch die zurzeit in diesen Werkstätten tätigen Arbeiter geschaffen worden. Dafür, dass die Gesellschaft dieses gesamte Anlage- und Betriebskapital stellt, gebührt ihr auch aus dem Arbeitsertrage dasjenige, was nach Auszahlung der für alle Arbeiter in der Gesamtheit gleichen Löhne an die einzelnen übrig bleibt.
    Das will nun den Eisenarbeitern nicht in den Sinn. Sie meinem, dass, wenn jetzt der Staat oder die Gesellschaft diejenigen Dividenden schluckt, welche früher die Aktionäre ihrer Anlagen bezogen für Hergabe des Kapitals, so sei dies für sie „Hose wie Jacke“. Dafür hätte es nicht gelohnt, die große Revolution zu machen.
    Seitdem nun die Ausdehnung der Arbeitspflicht auf täglich 12 Stunden in Sicht gekommen, sind die Eisenarbeiter noch erbitterter. Täglich 12 Stunden am Feuer und an Metall arbeiten ist doch etwas ganz anderes, als 12 Standen in Laden auf Kunden lauern oder Kinder warten.
    Kurz und gut, sie verlangen den „vollen Arbeitsertrag“ in ihrem Sinne, und zwar bei höchstens 10 stündiger Arbeitszeit. Zur Nachtzeit haben schon große Versammlungen der Metallarbeiter in der Jungfernheide und in der Wuhlheide stattgefunden, um die gewaltsame Durchführung ihrer Forderungen zu beraten. Man spricht von einer bevorstehenden Arbeitseinstellung der 40. 000 Metallarbeiter und Maschinenbauer, die in Berlin tätig sind.

31. Drohnoten des Auslandes
    Auch in Russland und Frankreich wissen die sozialdemokratischen Regierungen der inneren Schwierigkeiten nicht Herr zu werden. Sie suchen deshalb den Unmut ihrer Bevölkerung nach außen abzulenken. Der Dreibund ist von den sozialdemokratischen Regierungen sogleich ausgelöst worden. Augenblicklich wird Österreich-Ungarn von Italien in Istrien und Wälschtirol bedroht. Dieser Zeitpunkt erscheint Frankreich und Russland günstig, um gegen Deutschland vorzugehen. Beide Staaten haben an unser auswärtiges Amt gleichlautende Noten gerichtet, in denen binnen 10 Tagen Bezahlung der aufgelaufenen Warenschulden Deutschlands verlangt wird.
    Wie kommt denn Frankreich dazu? Wir haben doch im Grunde genommen nur noch Weinschulden an dasselbe für einige Millionen Flaschen Champagner, welche in ersten Freudenrausch nach der großen Umwälzung und von der staatlichen Regelung der Konsumtion bei uns vertrunken worden sind. Aber Russland hat hinterlistiger Weise einen Teil seiner Forderungen an uns an Frankreich zediert, um eine Grundlage zu schaffen für ein gemeinsames Vorgehen. Unsere Schulden an Russland sind jetzt allerdings bis über eine Milliarde Mark aufgelaufen, obgleich mir nur die auch früher stattgefundene Lieferung von Getreide, Holz, Flachs, Hanf u. f. w. bezogen haben, weil wir alles dies zu unserem Volksunterhalt absolut nicht entbehren können. Die Fabrikate, welche wir sonst an Russland und Frankreich
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