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Soul Screamers: Sophie (German Edition)

Soul Screamers: Sophie (German Edition)

Titel: Soul Screamers: Sophie (German Edition)
Autoren: Rachel Vincent
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flüsterte Luca, und ich nickte wieder, während der Mann im weißen Hemd aufstand. Dann öffnete er die Augen.
    Und ich schrie.
    Ich schrie so laut, dass meine Kehle brannte und meine Lungen schmerzten.
    Denn das waren keine Augen. Sie hatten keine Farbe. Keine Iris, keine Pupillen. Sie waren auch nicht leicht bläulich wie das Weiße im Auge. Sie waren strahlend weiß und leer. Als hätte ihm jemand die Augäpfel aus dem Kopf genommen und stattdessen winzige weiße Billardkugeln hineingestopft.
    Der Mann-der-nicht-da-sein-konnte hatte Augen, die nicht echt sein konnten, und ich konnte nicht aufhören zu schreien, nicht einmal, als Luca meine Hand drückte und zusammenzuckte, weil mein Schrei so schrill war, und versuchte, mich von dem Mann ohne Augen wegzuziehen.
    Dann wurde die Welt um mich herum grau, und ich schrie noch lauter. Nebel kroch durch den schmuddeligen, gekachelten Flur, bedeckte die Füße des Mannes und schlich auch um meine eigenen Fesseln. Im Nebel konnte ich etwas ausmachen, das sich bewegte – ein glitschiges, gleitendes Ding, das ich nicht richtig fokussieren konnte. Also schloss ich die Augen, und die Luft um mich herum veränderte sich, aber ich hörte nicht auf zu schreien.
    Ich konnte nicht, bis ich bemerkte, dass meine Stimme jetzt einen anderen Klang hatte. Sie hallte nicht mehr so, es war, als hätte ich jetzt andere Wände um mich, die den Schall anders zurückwarfen.
    Der Schock über meine Entdeckung erstickte den Schrei in meiner Kehle, und Lucas Finger glitten aus meiner Umklammerung. Dann spürte ich die Berührung warmer Hände auf meinen Wangen und riss die Augen auf, während ich so tief Luft holte, dass es in meiner Brust schmerzte.
    Lucas Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt, und er sah mich direkt an. Seine Augen leuchteten, auch wenn die Angst in ihnen geschrieben stand, und auf seiner Stirn hatten sich tiefe Furchen gebildet.
    „Was zur Hölle ist passiert?“, flüsterte ich. Ich versuchte, mich umzusehen, weil sich der Korridor irgendwie … seltsam anfühlte. Verdammt, er roch seltsam. Aber Luca hielt mich fest, sodass ich nichts sehen konnte außer ihm und nichts fühlte außer seinen festen, starken Fingern. Mein Herz raste vor Panik. „Wo sind wir?“
    „Sophie, hör mir jetzt ganz genau zu“, flüsterte er, und auf einmal war ich froh, dass ich auch geflüstert hatte. Alles, was ich vor diesem Augenblick gewusst hatte, kam mir plötzlich erschreckend unwichtig vor. Jetzt wusste ich nur eins mit Sicherheit: dass ich hier nicht gehört werden wollte. Wo auch immer „hier“ war.
    Ich nickte, und Lucas Gesicht verschwamm hinter den Tränen, die mir in die Augen stiegen.
    „Wir drehen uns jetzt um und gehen direkt zum nächsten Ausgang. Lass meine Hand nicht los, und sieh dich nicht um. Gib keinen Laut von dir. Renn nicht los, außer ich sage, dass du es tun sollst. Und fass nichts an. Verstanden?“
    „Nein.“ Ich zwinkerte, und die Tränen liefen mir in heißen Spuren die Wangen hinab, aber ich konnte sie nicht wegwischen, weil ich Angst hatte, mich zu bewegen. „Ich verstehe gar nichts mehr.“
    „Ich erkläre es dir, sobald wir hier raus sind. Okay?“ Er ließ die Hände von meinen Schultern sinken, und ich nickte. Dann sah ich mich zum ersten Mal um und verstand sofort, warum er nicht gewollt hatte, dass ich es tat.
    „Wie sind wir hierhergekommen?“, flüsterte ich.
    „Keine Ahnung“, sagte Luca, und irgendwie machte das alles noch schlimmer.
    Wir befanden uns in einem Korridor, aber ich brauchte eine Weile, um das zu begreifen, weil die Wände über und über mit Kriechpflanzen bedeckt waren. Dunkelgrüne Ranken – manche so dick wie mein Daumen – drehten und wanden sich langsam über-, unter- und durcheinander. Sie bedeckten jeden einzelnen Zentimeter der Wände, die ich durch das Gewirr herzförmiger Blätter, die sich zu den zackigen Rändern hin rot verfärbten, kaum erkennen konnte. Aus den Blättern wuchsen Dornen, vielleicht zwei Zentimeter lang und so scharf und dünn wie die Nähmaschinennadeln aus dem Handarbeitsunterricht. Die Dornen kratzten beim Kriechen über andere Teile der Ranken und hinterließen dünne Schnitte, aus denen eine klebrige, ranzige Flüssigkeit drang.
    „Was ist das?“, flüsterte ich und trat von der Wand weg, die mir am nächsten war, weil das dünne Ende einer der Ranken nach mir griff, als wüsste die Pflanze, dass ich da war. Meine Stimme zitterte. Meine Hände zitterten. Das hier war nicht
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