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Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele

Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele

Titel: Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
Autoren: Vincent Rachel
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Drachen im Wind.
    Ihre Seele war viel weiter aufgestiegen als Emmas, und ich begriff, dass das meine Schuld war. Weil Nash mich erst dazu hatte auffordern müssen, das Klagelied anzustimmen.
    Onkel Brendon hatte die Hände zu Fäusten geballt, seine Unterarme waren vor Anstrengung dick angeschwollen. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, vermutete jedoch, dass es so ähnlich aussah wie Nashs, als er Emmas Seele geleitet hatte: rot und angestrengt, schweißnass.
    Tante Val war über ihrer Tochter zusammengebrochen und weinte hemmungslos. Sie war die Einzige in diesem Raum, dieSophies Seele nicht sehen konnte, und irgendwie fand ich das schrecklich tragisch.
    Onkel Brendon ließ die Schultern sinken und drehte sich erschöpft zu mir um. Mit den Lippen formte er unhörbar die Worte: „Halte sie fest!“
    Ich nickte und schrie weiter. Ich gab wirklich mein Bestes, doch mein Hals war noch wund von dem Lied, das ich am Nachmittag für Emma gesungen hatte, und ich war nicht sicher, wie lange ich Sophie noch festhalten konnte.
    Mein Onkel redete hektisch auf meinen Vater ein. Ich konnte nicht alles verstehen, was er sagte, doch die Kernaussage war klar: Er schaffte es nicht allein. Aus irgendeinem Grund konnte er die Seele seiner Tochter nicht bewegen.
    Dad nickte und fixierte seinerseits Sophies Seele. Mit vereinten Kräften gingen sie zu Werke.
    Tante Val kniete am Boden, die Hände auf dem Brustbein ihrer Tochter, den Blick in den leeren Raum gerichtet. Sie sah keinen von uns direkt an, sondern schien mit dem Zimmer an sich zu sprechen. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, und von Trauer und Schuldgefühlen gerötet. Ich konnte nicht viel von dem verstehen, was sie sagte, aber zwei Worte las ich ihr von den Lippen ab.
    „Nimm mich!“
    Und dann begriff ich endlich. Sie redete mit der Reaperin – Marg – und flehte sie an, Sophies Leben im Austausch für ihres zu verschonen.
    In dem Moment veränderte sich alles. Das Zimmer verschob sich irgendwie, als hätten sich die Abmessungen geändert und somit alle Winkel verdreht. Wie wenn man einen Film auf einer völlig verzogenen Leinwand ansah.
    In der Mitte des seltsam schiefen Raums tauchte eine dünne dunkle Gestalt auf, nur Zentimeter von meinem Vater und meinem Onkel entfernt, gegenüber von Sophies Leiche.
    Ich erkannte sie sofort wieder: Marg. Es war dieselbe Frau, die ich auf Merediths Trauerfeier gesehen hatte. Sie trug immer noch den langen schwarzen Pullover, dessen Schnitt ihre zierlicheFigur betonte, und weiche Ballerinas, mit denen sie in dem flauschigen Teppich meiner Tante tief einsank.
    Die Reaperin warf mir einen Blick zu und runzelte die Stirn, beachtete mich dann aber nicht weiter, sondern wandte sich an Tante Val. Ich sah nur einen Teil ihres Gesichts, aber das genügte. „Bist du sicher?“, fragte sie mit einer Stimme, die wie geschmolzenes Metall klang: sanft und träge, aber heiß genug, um jemanden durch die bloße Berührung zu verbrennen.
    Ich war so überrascht, ihre Stimme zu hören, dass ich beinah aufgehört hätte zu singen. Sophies Seele begann sofort, auf Marg zuzufließen, und Nash drückte mir fest die Hand. Ich hob die Stimme. Sophies Seele bewegte sich nicht weiter.
    Die Reaperin hatte es nicht einmal gemerkt. Sie hielt den Blick starr auf meine Tante gerichtet, die etwas sagte, was ich nicht hören konnte. Ich hörte nur Marg, was wiederum bedeutete, dass sie mich nicht vergessen hatte – aus irgendeinem Grund wollte sie, dass ich mitbekam, was sie sagte.
    Tante Val nickte eifrig, und ihre Lippen bewegten sich hastig.
    Marg betrachtete sie einen Moment lang, schüttelte dann jedoch den Kopf. Von der Seite sah ich, dass sie den Mund zu einem bösartigen Lächeln verzog. „Deine Seele ist nicht genug“, sagte Marg, und ich konnte ihre Stimme beinah körperlich spüren. „Du hast Belphegore junge, schöne Seelen versprochen. Aber deine Seele altert genauso wie dein Körper, sie ist nicht mehr makellos. Belphegore wird das nicht akzeptieren!“
    Wieder sprach meine Tante gestenreich und voller Zorn, und ich sah, dass Onkel Brendon bei ihren Worten zusammenzuckte. Er hatte die Fäuste immer noch geballt. Ich wünschte inständig, die ganze Diskussion verfolgen zu können, nicht nur Teile davon.
    „Wir haben nicht ausgemacht, welche Seelen geerntet werden dürfen und welche nicht“, sagte die Reaperin, und ich bekam eine Gänsehaut. Ihre Stimme zu hören brachte mich schier um den Verstand. „Ich habe die ersten vier eingesammelt,
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